Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)
Clubbesitzer dann dort tot auffand. Dan hatte zu diesen Fakten nichts zu sagen, unbestreitbar, wie sie waren. Er saß mit gesenktem Kopf da, und Charlotte sank mit jedem Wort weiter der Mut.
Schließlich sagte Adam Hunt: »Ich frage Sie Folgendes, Mr Stockbridge: Waren Sie, ein wohlhabender, privilegierter junger Mann, der Auffassung, Sie würden ungestraft davonkommen? Sie könnten einen Schwarzen angreifen und würden dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden?«
Darauf gab es vereinzelten Applaus, und der Richter funkelte böse zu diesen Leuten hinüber. Adam Hunt setzte eine missbilligende Miene auf, aber man sah, dass er sich klammheimlich freute, der Arsch.
Dans Gesicht glänzte inzwischen vor Schweiß. Er rang die Hände. »Nein, der Auffassung war ich nicht. Natürlich nicht. Aber verstehen Sie, ich …«
»Danke. Keine weiteren Fragen.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen im Saal, dann erhob sich Kylie erneut. »Könnten Sie uns bitte schildern, was mit Miss Chakri, der Praktikantin, genau passiert ist?«
Dan schien nach Worten zu ringen. »Die Atmosphäre bei uns war … Ich kann das nur mit ›Fressen oder gefressen werden‹ umschreiben. Wer damit nicht klarkam, den konnten wir nicht gebrauchen. Und daher haben wir neue Leute wohl auf die Probe gestellt.«
»Inwiefern?«
»Man könnte es wohl als Schikanieren bezeichnen, aber das war es im Grunde nicht. So etwas wurde in dieser Umgebung als vollkommen normal empfunden. Bei dieser Frau lag es vielleicht daran, dass sie Asiatin war, aber es hätte auch irgendetwas anderes sein können. Irgendeine Schwachstelle, die sich bot.«
»Zusammenfassend könnte man also sagen: Schikane war ganz normal bei der Art und Weise, wie Ihr Team funktionierte?«
»Ja. Der Grund, warum ich mich nicht mehr so gut an sie erinnere, ist der, dass jede Woche Leute bei uns anfingen und dann auch schnell wieder verschwanden. Weil sie dem nicht gewachsen waren.«
»Warum blieben Sie selbst dabei?«
Er sah zu Charlotte hinüber; sie wandte den Blick ab. »Ich brauchte das Geld. Ich fühlte mich wie eingesperrt in diesem Leben. Und ich wusste, dass manches von dem, was ich da getan hatte, nicht legal war. Verstehen Sie, die hatten einen einfach bei den … Die hatten einen da, wo sie einen haben wollten.«
Kylie fragte ganz behutsam: »Wie stehen Sie heute dazu, was damals geschehen ist?«
Er beugte sich vor und legte sich die Hände vors Gesicht. »Es tut mir sehr leid. Dieser Todesfall ist eine wirklich schreckliche Sache.«
Sie nickte sacht: weiter, weiter.
»Aber … ich weiß nicht, ob ich es war. Ich sitze jetzt schon seit Monaten im Gefängnis. Ich habe meinen Job verloren, meine Hochzeit wurde abgesagt, mein ganzes Leben ist … Falls ich es nicht war … dann sollte ich nicht weiter bestraft werden. Ich habe genug durchgemacht.«
Der Richter musste viermal zur Ordnung rufen, erst dann legte sich der Lärm im Saal wieder. Dan wurde abgeführt, und diesmal blickte er sich zu Charlotte um, und sie sah ihm zum ersten Mal wieder in die Augen. Einen ganzen Moment lang sahen sie einander quer durch den Gerichtssaal an, als wären sie ganz allein. Dann war er fort, und ihr knickten unter der Woge der Gefühle, die auf sie einbrandeten, fast die Knie weg.
Hegarty
Der Prozess ging weiter, Gutachter beider Seiten stritten um die Details, Indizien wurden aufgehäuft und wie von Zauberhand wieder beiseitegefegt. Kylie betonte immer wieder alles, was ihr zu Gebote stand: Der Tatort war kontaminiert gewesen, die Aufnahmen der zweiten Überwachungskamera hatte man nie überprüft – und schließlich die nicht von der Hand zu weisende Tatsache, dass Daniel Stockbridges Kleidung, und insbesondere seine Schuhe, nicht mit Anthony Johnsons Blut bespritzt gewesen waren. Auch die Anklage ritt immer wieder auf ihren Punkten herum: die Fingerabdrücke auf der Flasche, der mitgehörte Streit, die Tatsache, dass vor dem Fund der Leiche niemand sonst beim Betreten oder Verlassen des Büros gesehen worden war.
Ganze Tage vergingen mit Diskussionen darüber, ob Dan mit Blut bespritzt worden wäre oder nicht. Der von Kylie aufgebotene Gutachter war ein hohes Tier im Staatsapparat, und er war der Auffassung – auch wenn er sich da natürlich nicht hundertprozentig festlegen wollte –, dass der Angeklagte alles in allem »eine beträchtliche Menge Körperflüssigkeit abbekommen hätte, zumal an den Schuhsohlen«. Kylie hielt sich lange mit einer von ihr in Auftrag gegebenen
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