Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)
schon unter Gedächtnisverlust?«
Dans Stirn war schweißnass. »Nicht so. Ich meine: Ja, es war schon ein paarmal vorgekommen. Meine Arbeit war zu dieser Zeit extrem stressig. Wirklich extrem.«
»Beantworten Sie bitte einfach nur die Fragen. Ich gebe zu Protokoll, dass Mr Stockbridge mit Ja geantwortet hat.« Der Staatsanwalt kramte in seinen Papieren herum. »Mr Stockbridge, würden Sie sich als Rassisten bezeichnen?«
Dan wandte den Blick ab. »Diese Frage hängt mir wirklich zum Hals raus.«
»Einfach nur antworten, bitte.«
Dans schmales Gesicht blickte entschlossen. »Nein, ich bin kein Rassist. Wirklich nicht. Nur weil er schwarz war, können Sie das nicht annehmen.«
»Mr Johnson war, wie Sie sagten, schwarz .« Hunt ließ es klingen, als hätte Dan damit eine rassistische Bemerkung gemacht. Aber was hätte er denn sonst sagen sollen? »Dem Gericht liegen eine ganze Reihe von Aussagen vor, die darauf hindeuten, dass Sie das Opfer vor dem Mord in rassistischer Weise beschimpft haben. Trifft das zu?«
Dan schüttelte nur den Kopf. »Nein, das ist nicht wahr.«
»Aber Sie sagten ja bereits, dass Sie sich nicht an alles erinnern können.«
»Ich … ich weiß aber, dass ich so etwas nicht tun würde.«
»Sagt Ihnen der Name Rumila Chakri etwas, Mr Stockbridge?«
»Nein«, antwortete Dan.
»Sie haben nicht im vergangenen Jahr mit ihr bei Haussmann’s zusammengearbeitet?«
Dan schaute verwirrt. »Ach so, ja. Rumila. Ich hatte den Namen vergessen.«
Charlotte fasste sich an den Kopf. Was war los mit ihm? Wollte er als totales Arschloch rüberkommen?
»Miss Chakri wurde von der Uni weg als Junior Analyst bei Ihnen eingestellt, verließ die Bank aber schon drei Monate später wieder und behauptete, von ihrem dortigen Team sexuell belästigt und rassistisch schikaniert worden zu sein. Zu diesem Team gehörten ja wohl auch Sie, nicht wahr?«
»Ja, aber … Das ist doch immer so. Man neckt die Neuen halt ein bisschen. Man muss schließlich sicher sein, dass sie, wenn’s hart auf hart kommt, den Arsch für einen riskieren.«
»Mr Stockbridge, befleißigen Sie sich bitte einer anderen Ausdrucksweise«, mahnte der Richter.
Der Staatsanwalt blickte erneut mit gerunzelter Stirn in seine Papiere. »Verstehen Sie das wirklich unter Neckerei, wenn Sie jemanden als ›Paki-Terroristin‹ bezeichnen?«
Dan wirkte irritiert. »So etwas habe ich nie zu ihr gesagt.«
»Sie hat keine einzelnen Personen beschuldigt. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass eine junge Frau asiatischer Herkunft gezwungen war, ihren Arbeitsplatz aufzugeben, weil sie von Ihrem Team fortwährend in rassistischer Weise schikaniert wurde, oder etwa nicht?«
»Vermutlich schon. Mag sein.« Jetzt zitterten ihm wieder die Hände.
»Um auf die Nacht des Mordes zurückzukommen. Sie wurden in einen Streit mit dem Opfer verwickelt. Trifft das zu?«
»Wir hatten einen Wortwechsel.«
»Und als dieser ›Wortwechsel‹ heftiger wurde, gingen Sie gemeinsam in das Büro des Opfers, um mit ihm abzurechnen?«
»Nicht, um mit ihm ›abzurechnen‹ … Ich meine: Ja, wir gingen dorthin, aber …«
Adam Hunt sah sich im Gerichtssaal um, um einen dramatischen Effekt zu erzielen. »Und wurde Mr Johnson nicht gerade mal zehn Minuten später in ebendiesem Büro tot aufgefunden? Verblutet aufgrund einer Halsverletzung, die ihm mit einer zerbrochenen Bierflasche zugefügt wurde – einer Flasche, Mr Stockbridge, auf der sich Ihre Fingerabdrücke befanden?«
Dan schüttelte den Kopf. »Nein. Ich meine: Ja, die waren da drauf, aber ich habe ihn nicht …«
»Und nachdem Sie zugeschlagen hatten, behaupte ich, flohen Sie vom Tatort, ließen das Opfer dort verbluten und fuhren gemeinsam mit Ihrer Verlobten heim zu Ihrer Luxuswohnung. War es nicht so?«
Wiederum ächzte Charlotte leise ungläubig auf. Er war ja schließlich nicht dabei gewesen, oder, dass er das alles so genau wissen konnte? Diesmal blickte Adam Hunt kurz zu ihr hinüber, und sie lief rot an.
Dan sagte: »Ich bin nach Hause gefahren, ja. Aber ich schwöre, es ging ihm gut.«
»Aber Sie erinnern sich nicht daran, nicht wahr? Wie Sie ja bereits sagten.«
»Nein«, erwiderte Dan kleinlaut.
Es ging immer so weiter: die Anschuldigungen des Rassismus und die Schikanierungen und die Blackouts am Arbeitsplatz und die Fingerabdrücke auf der Flasche und der Streit mit Anthony Johnson und dass man außer Dan niemanden in das Büro hineingehen oder aus dem Büro herauskommen sah, bis man den
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