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Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Titel: Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire McGowan
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Beide waren sie in den billigen, glänzenden Kleidern gekommen, die sie auch schon im Club getragen hatten. Und die klaffenden Löcher in ihren Geschichten gefielen Hegarty auch nicht gerade.
    »Er hat rassistische Sachen gesagt«, behauptete Mel. »Dieser reiche Schnösel.«
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Du Nigger. So in der Richtung.«
    Er schrieb es auf und fragte sich, ob ihr überaus selbstbewusster Tonfall darauf hindeutete, dass sie sich gut daran erinnerte oder dass sie sich das ausdachte. Rachel hingegen schien sich längst nicht so sicher zu sein.
    »Einfach nur rassistische Sachen.«
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Weiß ich nich’ mehr.« Sie zupfte an ihrem silbernen, zum Kleid passenden Nagellack herum. Ihre Augen waren gerötet, und Hegarty rief sich ins Gedächtnis, dass sie gerade ihren Bruder verloren hatte. Beiden Frauen schien viel daran zu liegen, dass er »diesen Scheiß-Rassisten« gefasst hatte.
    »Dreckskerle wie den sollte man aufknüpfen«, meinte Mel.
    »Nun, die Todesstrafe ist hier im Vereinigten Königreich schon seit geraumer Zeit abgeschafft.«
    »Pfff.«
    Rachel, groß und hübsch, hatte bei ihrer Vernehmung ein Taschentuch nach dem anderen verbraucht. »Warum hat er unseren Anthony umgebracht? Der hatte doch keinem Menschen was getan. Keiner Fliege konnte der was zuleide tun.«
    Hegarty, der sich Anthony Johnsons umfangreiche Kriminalakte angesehen hatte, in der auch von Gang-Verwicklungen die Rede war, war sich da nicht so sicher. »Mein Beileid.«
    Ihr hübsches Gesicht krampfte sich vor Kummer zusammen. »Mum ist am Boden zerstört. Das hat ihr das Herz gebrochen. Der Arzt musste ihr ein Beruhigungsmittel geben. Und Tanika – das ist die Frau von unserm Anthony –, sie und die Kinder sind in einem Schockzustand. Die Kleinen werden sich später nicht mal an ihren Vater erinnern können.«
    Er hatte also eine Ehefrau – das war interessant, angesichts dessen, was Mel ihm gerade über ihr Verhältnis zu dem Verstorbenen erzählt hatte. »Gibt es noch weitere Angehörige, die unterrichtet werden müssten?«
    Sie tupfte sich die Augen ab. »Unser Ronald ist noch in Jamaika. Es ist noch nicht klar, wann er kommen kann. Wir wissen ja noch nicht mal, wann wir Anthony heimholen können – seinen Körper.« Jetzt weinte sie wieder; Tränen liefen ihr aus den dunklen Augen. Sie schien es kaum zu bemerken.
    »Ich werde dafür sorgen, dass der zuständige Beamte der Opfer-und-Angehörigen-Betreuung Sie auf dem Laufenden hält«, sagte Hegarty. Wieder einmal spürte er, wie jämmerlich diese Worte waren – der einzige Trost, den er den Vergewaltigten, den Niedergestochenen, den Hinterbliebenen zu bieten hatte. Er konnte weiter nichts tun, als alles daranzusetzen, den Täter zu fassen, damit sie wenigstens sahen, wer der Schuldige war. Für Gerechtigkeit sorgen, nannten manche Leute das. Und wenn er Recht hatte, und das hoffte er, saß der Schuldige in diesem Fall schon hinter Gittern.
    Rachel schniefte lautstark. »Haben Sie keine Balsam-Taschentücher? Meine Nase ist schon ganz wund.«
    »Tut mir leid. Für so was kommt der Steuerzahler nicht auf.«
    »Ich hab ein Foto von ihm«, sagte sie plötzlich. »Auf meinem Handy. Ich hab gerade mich und Mel geknipst, als er angekommen ist.« Sie zog ihr Nokia hervor und zeigte ihm einen unscharfen Schnappschuss mit den beiden Frauen im Vordergrund, und im Hintergrund kam ein Weißer dazu. Hätte Stockbridge sein können.
    »Darf ich mal?« Ein Handyfoto war vor Gericht nicht allzu viel wert, aber trotzdem nahm er das Gerät und sah sich die gespeicherten Aufnahmen an. Das Foto davor zeigte Rachel mit einem anderen Weißen, der mit der Hand eine gangsterhafte Pistolengeste machte. »Der Mann da mit dem kurz geschorenen Haar – wer ist das?«
    Sie gab sich plötzlich zugeknöpft. »Keine Ahnung. Irgend so ’n Typ aus dem Club.«
    »Könnte der eventuell etwas gesehen haben?«
    »Weiß ich nicht. Ich weiß nicht, wer das war.«
    Rachel Johnson war hübsch, durchaus, aber er war sich ziemlich sicher, dass sie ihm nicht die Wahrheit sagte. Letztlich aber identifizierten die beiden jungen Frauen Stockbridge bei der Gegenüberstellung auf Anhieb. Hegarty hatte schon weiße Zeugen erlebt, die schwarze Verdächtige nicht identifizieren konnten, mit der Begründung: »Die sehen doch alle gleich aus, nicht wahr?« Die beiden schwarzen Frauen aber erkannten Stockbridge sofort.
    »Das ist er«, sagte Mel und zeigte durch die rückseitig verspiegelte

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