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Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Titel: Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire McGowan
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selbst wenn die Leute immer mehr abmagerten. Keisha hatte nicht vor, sich mit ihm zu streiten – wie alle ihre Kolleginnen arbeitete sie schwarz und war froh über den Job.
    Als sie sich auf den Heimweg machte, wurde es schon hell. Sie ging an zugesperrten Geschäften und am O2 Centre entlang, die Straßen waren still und leer, niemand unterwegs. Als sie sich ihrer Wohnung näherte, fing sie an, sich zu fragen: War er zu Hause? Dieses scheußliche Gefühl war wieder da: die Furcht, mit der man seine eigene Wohnungstür aufschloss. Er konnte aber auch tagelang wegbleiben; das war durchaus schon vorgekommen.
    Er war nicht da. Sie schaute noch eine Weile fern, es kam seltsamer religiöser Kram, Sonntagmorgenprogramm halt, aber irgendwie konnte sie nicht einschlafen. Sie grübelte vor sich hin. Die Schuhe. Die Badematte. Wo zum Teufel steckte er? Und wohin war er gegangen, als er sie in dem Club sitzengelassen hatte?
    Dann musste sie doch eine Weile geschlafen haben, denn sie wurde davon wach, dass die Wohnungstür zuknallte. Der faltige Sofabezug hatte sich in ihr Gesicht geprägt. »Bist du wieder da?«
    Sie hörte ihn im Flur rumoren, und plötzlich stand er im Zimmer. »Wo ist die Badematte, verdammt noch mal?«
    »Hä?« Sie rieb sich die Augen. »Ach so, die wollt’ ich waschen. Die ist schmutzig.«
    Er starrte sie mit großen Augen an.
    »Was ist denn los?«
    »Fass meine Sachen nicht an, kapiert? Was hast du noch weggeräumt?«
    »Nichts!« Gott, sie hatte dermaßen die Schnauze voll von so was. »Ich hab weiter nichts gemacht, als ein bisschen den Saustall aufzuräumen, den du hinterlassen hast. Du hast deine Schuhe ruiniert.«
    Er erstarrte. Seine blauen Augen fixierten sie quer durch den Raum. »Was hast du mit meinen Schuhen gemacht?«, fragte er ganz leise.
    Sie begann aufzustehen; am Sonnenlicht sah sie, dass es später Nachmittag war. »Gar nichts hab ich damit gemacht. Die sind in der Küche. Aber geh nicht damit über den Teppich.«
    »Du hast sie geputzt.« Er stand immer noch da.
    »Ja. Sie waren schmutzig, okay? Ich meine … Du hast doch gesagt, du wärst in einen Döner gelatscht …«
    Da schoss Chris durchs Zimmer und fasste sie um die Taille. Sein Gesicht war ihrem sehr nah, als wollte er sie küssen. Er roch, als hätte er die Nacht unter freiem Himmel verbracht – kalt, ungewaschen. »Ja, das stimmt. Ich bin in einen Döner gelatscht, nicht wahr?«
    »Das war’s, was du mir gesagt hast. Aber …« Sie bremste sich. Sie konnte Ketchup und Blut durchaus unterscheiden, aber vielleicht hatte er ja seine Gründe. Sie hatte es aufgegeben, ihn verstehen zu wollen. »Schatz, es ist alles okay. Wenn du willst, putz ich sie noch mal.«
    Er ließ sie los. »Lass sie einfach nur da stehen. Fass sie nicht an. Okay?«
    »Okay.« Sie stand auf und ging in Richtung Zimmertür.
    »Hey, wo zum Teufel willst du hin?«
    Sie sah sich zu ihm um. Sein T-Shirt war schmutzig, und sein Gesicht sah aus, als hätte er die Nacht durchgemacht. »Zur Schicht. Es ist Sonntag. Ich muss arbeiten gehen.« Sie hielt den Atem an – vielleicht hatte er das als spitze Bemerkung aufgefasst, die darauf abzielte, dass er keine Arbeit hatte. Aber er nickte nur, schaute verwirrt und rieb sich dann die Augen. »Okay, gut. Wann bist du wieder da?«
    »Wie üblich. So gegen fünf. Wirst du dann … zu Hause sein?«
    »Ja«, sagte er, aber sie hatte den Eindruck, dass er schon gar nicht mehr zuhörte.
    Hegarty
    Gähnend aß Hegarty den Rest seines trockenen Plunderstücks und strich sich die Krümel von der Krawatte. Er hatte sich wegen der gestrigen Gegenüberstellung Sorgen gemacht, das musste er zugeben. Die Schwester des Verstorbenen, Rachel Johnson, und die andere junge Frau, Melanie Taylor, hatten von Anfang an Schwierigkeiten gemacht. Sie wollten nicht aufs Revier kommen, wollten nicht an der Gegenüberstellung teilnehmen, wollten sich nicht die anderen Männer ansehen, die sich gegen Bezahlung neben Daniel Stockbridge aufstellten.
    »Was ist denn, wenn ich mir nicht sicher bin?«, hatte Melanie Taylor gefragt.
    »Genau darum geht es ja«, hatte er, so geduldig er nur konnte, erklärt. »Es ist weiter nichts als eine Methode, mit der wir feststellen können, ob wir tatsächlich den Richtigen festgenommen haben.«
    »Und wieso kann ich das nicht zusammen mit Rach machen?« Sie ging ihm auf die Nerven, mit ihrem argwöhnisch blickenden, schmalen Gesicht, das noch mit dem verschmierten Make-up der vergangenen Nacht bedeckt war.

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