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Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Titel: Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire McGowan
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Charlotte später, zum hundertsten Mal an diesem Tag. »Wird er denn nicht auf Kaution entlassen?« Es hatte etwas Irreales, sich selbst diese Worte aussprechen zu hören.
    Der Pflichtverteidiger auf dem Polizeirevier war zirka neunzig Jahre alt. Um seine Nase herum löste sich die Haut in winzigen weißen Schuppen; Charlotte konnte nicht aufhören hinzusehen. Er hatte ihr das ganze Prozedere schon mehrfach anhand welliger laminierter Merkblätter erklärt, aber sie schien es einfach nicht verstehen zu können. »Leider nicht, meine Liebe. In Mordfällen kommt Kaution normalerweise nicht in Frage.«
    »Dann muss er also bis Montag hierbleiben? Ist so was denn überhaupt erlaubt?«
    »Durchaus. Er muss einem Richter vorgeführt werden. Aber wie gesagt: Es ist höchst unwahrscheinlich, dass er auf Kaution entlassen wird.«
    Ihr Hirn war wie aus Holz; es ging einfach nichts hinein. »Und was bedeutet das?«
    »Ich fürchte, es bedeutet, dass er in Haft bleiben wird, bis es zu einem Gerichtsverfahren kommt.«
    »In Haft?«
    »Im Gefängnis«, erläuterte er und sammelte seine Unterlagen ein.
    Charlottes Gehirn arbeitete wie in Zeitlupe. »Obwohl er es nicht war, darf er nicht nach Hause?«, fragte sie, von einer gewissen Hoffnung erfüllt. Als würde der Anwalt daraufhin lachen und sagen: »So ist es natürlich nicht. Wenn jemand nichts getan hat, kann man ihn auch nicht ins Gefängnis stecken. Wir sind hier schließlich in England!«
    Doch stattdessen sagte er: »Bis es zu einem Prozess kommt, nicht, nein. Und das kann eine Weile dauern.«
    »Eine Weile? Etwa – Wochen?« O Gott , dachte sie. Die Hochzeit . Aber das konnte ja nicht sein.
    »O nein, meine Liebe.«
    Gott sei Dank. Sie lächelte erleichtert.
    »Wenn es schnell geht, fünf oder sechs Monate.«
    Sie starrte ihn mit offenem Mund an. »Sechs Monate ? Aber … aber im Fernsehen werden die Leute doch immer auf Kaution entlassen.«
    »Tja.« Er schnäuzte sich altherrenhaft. »Ich fürchte, die Fernsehmacher nehmen es mit den Tatsachen nicht immer so genau. Zudem erscheint die Beweislage gegenwärtig doch recht zwingend. Ihr Anwalt wird ihm womöglich raten, sich schuldig zu bekennen.«
    Charlotte sah ihren großen, prunkvollen Verlobungsring an. »Wir heiraten nächste Woche«, hörte sie sich sagen. »Es ist alles fix und fertig geplant.«
    Da blickte der Anwalt beunruhigt. »Oh. Ich hoffe, Sie haben eine Versicherung abgeschlossen?«
    Nur das Schneckentempo ihres Hirns hielt Charlotte davon ab, diesem Schuppengesicht mit dem scharfkantigen Stein an ihrer Hand eine zu knallen.

Einen Tag zuvor – Sonntag
    Keisha
    Das Wochenende war totale Scheiße gewesen. Als sie am Samstag nach der Clubnacht erwachte, war Chris weg, das Bett leer und kalt. Die Tüte mit den Kleidungsstücken, die im Flur gestanden hatte, war verschwunden – seltsam –, und er hatte sogar versucht, seine Turnschuhe zu reinigen. Der Mülleimer in der Küche war voll mit rotfleckigem Küchenkrepp; er hatte die ganze Rolle aufgebraucht; sie musste also Nachschub besorgen. Sie ging ins Badezimmer und sah wieder den roten Fleck auf der rosa Badematte.
    Keisha war nicht dumm, auch wenn sie von der Schule geflogen war. Sie hatte schon Blut von diesem Badezimmerboden geputzt – wenn seine Nase oder seine Fingerknöchel geblutet hatten. Aber er hatte in der Nacht ja wohl kaum Zeit gehabt, in eine Schlägerei zu geraten, und falls doch, warum hätte er ihr das verschweigen sollen? Sonst war er immer stolz, wenn er jemandem »die Fresse poliert« hatte.
    Trotz einer ganzen Rolle Küchenpapier hatte er die Schuhe nicht saubergekriegt, also füllte sie etwas Wasser in eine Schüssel und stellte die Schuhe hinein. Die Badematte stopfte sie in einen Beutel – noch etwas, das sie zum Waschsalon schleppen musste. Es waren immer noch nur Tiefkühlgerichte da und keine Mikrowelle, also aß sie ein paar Handvoll Choco Pops ohne Milch. Die waren eigentlich für Ruby gedacht, falls sie je wieder nach Hause durfte.
    Ihre Schicht in dem Pflegeheim zwei Meilen die Finchley Road hinauf war wie üblich scheiße gewesen. Mr Smith, ein dicker Mann, der alles aß, was in seine Nähe kam, kackte den Nachtstuhl so voll, dass es bis an seinen weißen Greisenarsch reichte, und hockte dann obendrauf, selig vor sich hin lächelnd, von den Pflegerinnen aber ignoriert. Barry, der Dreckskerl von Chef, rief am Ende der Nachtschicht alle zusammen und zeterte wegen der Essenskosten. Keine speziellen Diäten mehr, befahl er,

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