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Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Titel: Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire McGowan
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ebenfalls aus dem Staub. Er war nur gekommen, um zu sehen, was ihn beim FIFA-11 -Spielen unterbrochen hatte.
    Charlotte saß auf der kalten Eingangstreppe und fragte sich, ob sie jetzt weinen sollte. Hätte das irgendeinen Sinn gehabt? Nein. Sie war darüber hinaus, war in einer Situation, in der Tränen keinen Unterschied mehr machten, keine Herzen erweichten, keine Farbe entfernten. Sie ließ die Haustür offen stehen und ging wieder nach oben. Charlotte schaute so gut wie nie in den vollgestopften Schrank im Flur, doch jetzt kramte sie schon zum zweiten Mal in dieser Woche wie besessen darin herum, zog Staubtücher und Putzmittel daraus hervor, Tennisschläger und Dans Wanderstiefel, den ganzen Krimskrams eines gemeinsamen Lebens, Dinge, die anderswo keinen Platz gefunden hatten. In Dans Werkzeugkasten – den er noch nie angerührt hatte – fand sie einen Meißel, daneben eine Drahtbürste zum Reinigen von Schuhen. Seine Schuhe waren stets so perfekt gepflegt und spiegelblank poliert.
    Sie ging mit den beiden Werkzeugen wieder hinunter und begann, an der Farbe herumzuschaben und herumzukratzen, im Schlafanzug und mit unfrisiertem Haar dort kniend, als ob sie wollte, dass alle sie dabei sahen. Buße war das Wort, das ihr, die eigentlich nicht religiös war, dabei einfiel. Wofür aber sie Buße leistete, hätte sie nicht zu sagen gewusst.
    Letztlich blieben nur, kaum sichtbar, die schemenhaften Umrisse des Wortes zurück. Doch jedes Mal, wenn sie anschließend die Haustür öffnete, würde sie wissen, dass es da war. Als sie sich dann die fleckigen, verunstalteten Hände wusch und bei den kleinen Verletzungen an ihren Fingern zusammenzuckte, dachte sie, dass es womöglich ganz richtig war, dass sie das nicht vergessen würde. Während sie vor Sorge um Dan und sich fast verging, sollte sie sich ruhig einmal ins Gedächtnis rufen, dass jemand gestorben war.
    Sie solle die Polizei rufen, hatte Mike gesagt – das übliche Vertrauen des Mittelschichtlers, dass diese Leute schon für Gerechtigkeit sorgen würden. Er hatte es auf nette Art gesagt, und damit gemeint: Verschone uns mit deinem ganzen Schlamassel. Sie hatte ja sogar die Visitenkarte eines Polizisten in ihrer Küche. Vielleicht sollte sie diesen ebenso freundlichen wie herabsetzenden Ratschlag also befolgen.
    Keisha
    Wohin sie auch kam, überall stellte sich ihr irgendeine dumme Ziege in den Weg. »Verdammte Scheiße, ich hab jetzt wirklich die Schnauze voll!«, brüllte Keisha die schwarze Krankenschwester am Empfang schließlich an und äffte dann ihren Südlondoner Akzent nach: »Es ist keine Besuchszeit, Sie müssen später wiederkommen.«
    Als Keisha diesen Ton anschlug, zuckte die Schwester zurück, als hätte jemand nach ihr geschlagen. »Was fällt Ihnen ein, so mit mir zu reden?« Keisha sah, dass ihr die Tränen kamen.
    Keisha konnte ihre Mutter durch eine gläserne Trennwand auf der Station dahinter sehen, deshalb regte sie sich so auf. Sie atmete tief durch. »Tut mir leid. Es ist bloß einfach sehr wichtig, ja? Es geht gewissermaßen um Leben und Tod, verstehen Sie?«
    Mit immer noch bebenden Schultern winkte die Schwester sie durch. Keisha hörte noch, wie sie sich lautstark die Nase putzte und etwas murmelte von wegen, sie hätte auch die Schnauze voll.
    Mercy lag in dem dritten Bett. Sie teilte sich das Zimmer mit drei anderen Frauen, zwei schlafenden Dicken und einer runzligen Chinesin, die als Einzige in der summenden Stille noch wach war und Keisha ein zahnloses Lächeln schenkte. Keisha dachte daran zurück, wie sie mit Ruby hier gewesen war, total neben der Spur von den ganzen Schmerzmitteln und dem Adrenalin, wie sie alle hatte volltexten wollen und das Neugeborene nicht aus der Hand gab, um mal ein bisschen Schlaf zu kriegen. »Mann, mach mal halblang!«, hatte Chris gesagt, als man ihn schließlich in einer Kneipe aufgetrieben hatte.
    »Mum«, flüsterte sie. Mercy hatte einen Schlauch in der Nase und einen im Arm, und sie schnarchte wie üblich, und es hörte sich an wie ein Erdbeben. »Mum.« Keisha stupste sie ein bisschen, und Mercy riss die Augen auf und grunzte. Einen Moment lang hatte Keisha schreckliche Angst, dass ihre Mutter sie vielleicht nicht mehr erkennen würde.
    Aber Mercy schmatzte trocken. »Mach nicht so einen Lärm. Die Leute hier sind krank.«
    »Du bist krank.«
    Mercy drapierte den Infusionsschlauch um, genau so, wie sie daheim, wenn Besuch kam, Teetassen beiseiteräumte. »Meine Güte, was für ein Theater. Ich

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