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Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Titel: Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire McGowan
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strotze nur so vor Gesundheit.«
    Wo sie diese Worte herhatte, war Keisha ein Rätsel. »Bist du okay? Jetzt mal ehrlich.« Sie sah nicht okay aus. Ihr Gesicht hatte eine pflaumenblaue Färbung angenommen, allerdings wie die von Pflaumen, die bei besseren Obstständen auf dem Pflaster landeten.
    Mercy winkte ab. »Nur ein kleiner Schwächeanfall.«
    »Ich hab gehört, du hast einen Herzinfarkt gehabt. Ich hab mit Mrs S gesprochen. Sie sagt …« Keisha brachte es nicht über die Lippen. »Mum, war er bei dir?«
    Ihre Mutter antwortete nicht, fummelte nur wieder mit ihrem Infusionsschlauch herum.
    »Mum!« Keisha verschlug es den Atem, als sie bemerkte, dass sich auf der nach angeschlagenen Pflaumen aussehenden Gesichtshaut ihrer Mutter ein wächserner Glanz zeigte. In ihrem ganzen Leben hatte sie Mercy nur ein einziges Mal so weinen sehen, und das war nach Rubys Unfall gewesen – der allerdings gar kein Unfall gewesen war. »Mum, bitte! Was ist geschehen? Wo war Ruby?«
    Mercy unternahm den kläglichen Versuch, sich mit den Händen die Augen abzuwischen, kam mit den ganzen Kabeln und Schläuchen aber nicht dran.
    »Oh, hier.« Keisha zog ein paar Taschentücher aus einer Schachtel auf dem Nachttisch und tupfte ihrer Mutter damit übers Gesicht. »Er war da, stimmt’s? Wollte er sie etwa mitnehmen?«
    Mercy nickte ganz langsam.
    »Und du hast ihn aufgehalten?«
    Mercy schnäuzte sich lautstark, und Keisha warf das Taschentuch angewidert in den Müll. Jetzt hatte sie sich wahrscheinlich die Schweinegrippe geholt oder so was.
    »Er wollte sie mitnehmen. Die Kleine. Ich hab die Tür nicht aufgemacht. Sie hat gerade ferngesehen. Wie heißt die Sendung noch, die mit dem komischen Namen?«
    »Balamory?«
    Mercy nickte. »Sie hat gesehen, wie er ans Fenster geklopft hat. Er war sehr böse. Ich hab gesagt, ich ruf die Polizei. Da ist er abgehauen. Aber dann – nun ja. Ich hatte mich ein bisschen aufgeregt.«
    Keisha sagte tonlos: »Ich habe ihn verlassen.«
    Ihre Mutter sah sie an von wegen Das glaube ich erst, wenn ich es sehe .
    »Nein, wirklich. Schau.« Sie beugte sich vor, so dass Mercy ihre allmählich verheilende Verletzung am Auge sehen konnte. »Das hat er mir angetan. Ich schwöre dir, Mum, ich schwöre es bei Gott – entschuldige –, auf die Idee wär’ ich nie gekommen. Ich habe einfach nicht damit gerechnet, dass er bei dir auftauchen könnte. Er kümmert sich ja auch sonst nie um sie.« Sie schämte sich in diesem Moment so sehr, dass sie beschloss, gleich reinen Tisch zu machen. »Mum, es tut mir leid. Du hattest Recht.« Es war so bitter, das auszusprechen, dass ihr die Tränen kamen. »Du hattest Recht, okay? Er ist ein Scheißkerl. Das alles tut mir leid. Ich hab es damals nicht darauf angelegt, von der Schule zu fliegen, es war bloß einfach … diese ganzen schnöseligen Kids und … O Gott, Mum, es tut mir leid, ja?«
    Ihre Mutter zog Luft durch ihre schiefen Zähne. »Missbrauche nicht den Namen des Herrn.«
    »Entschuldige bitte.« Keisha saß schluchzend am Bett ihrer Mutter. »Geht es Ruby gut?« Als Rubys Mutter schämte sie sich fürchterlich, das zu fragen. Sie war eigentlich diejenige, der man diese Frage hätte stellen sollen.
    Mercy schnäuzte sich noch einmal lautstark. »Die Sozialarbeiterin ist gekommen. Sie müssen sie mitnehmen, hat sie gesagt, wenn keiner zu Hause ist.«
    Weil Ruby ja offiziell ein Pflegekind war. Das nannte sich »Verwandtenpflege«, und es bedeutete, dass Mercy nicht mal halb so viel bezahlt bekam wie eine fremde Pflegemutter. Nicht dass sie sich je auch nur mit einem Wort darüber beklagt hätte.
    Keisha war das alles fast zu viel. Es war, als wären sie beide verschwunden: ihre Mutter im Schlund dieses riesigen Krankenhauses, endlose Korridore hinab, und ihre Tochter sonst wohin. War Ruby jetzt bei jemandem zu Hause, spielte mit fremden Spielsachen, bekam fremdartige Dinge zu essen? Sie hatte sie gar nicht mehr richtig vor Augen. Es war, als hätte sie sich in Luft aufgelöst.
    Hegarty
    Hegarty nahm nicht allzu oft jemanden in einer Wohnung fest, in der ein echter Eames Chair in einer Ecke stand. Er war ein heimlicher Design-Freak – was er seinen Revier-Kollegen strikt verschwieg. Am Wochenende ging er gern in Möbelläden, in denen er sich nicht mal einen Aschenbecher hätte leisten können, und sah sich stundenlang um.
    »Hallo?« Die Haustür hatte einen Spalt breit offen gestanden, und jetzt schob er auch die nicht geschlossene Wohnungstür auf.
    Charlotte

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