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Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Titel: Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire McGowan
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fluchte aber glücklicherweise nicht laut los. Pastor Samuel stand dort in seinem Pullunder, einen Becher in der einzigen Hand.
    »Ja?« Er spähte durch den dunklen Saal zu ihr hinüber.
    »Ich bin’s, Keisha, die Tochter von Mercy. Mercy Collins.«
    »Ja, natürlich, willkommen, mein Kind. Meine alten Augen …« Er kam angelatscht, und da er keine Hand frei hatte, um ihre zu schütteln, legte er ihr den Arm um die Schultern. Keisha gab sich Mühe, nicht zu dem Nichts hinzusehen, das aus seiner anderen Hemdmanschette ragte. Er roch nach Secondhandladen, nach alten Kleidern, aber seine Augen blickten freundlich. »Was führt dich wieder zu uns, Keisha? Bist du in Schwierigkeiten?«
    Schwierigkeiten wäre noch geprahlt. Seit dieser Freitagnacht war sie aus den »Schwierigkeiten« nicht mehr rausgekommen. »Ich wollte mich nur noch mal für die Beerdigung bedanken und so. Dass Sie das alles geregelt haben. Ich hätte überhaupt nicht gewusst, was ich machen sollte.«
    »So etwas ist uns hier Aufgabe und Segen. Sie fehlt uns sehr, aber der Herr hat sie zu sich genommen.«
    Keisha senkte den Kopf, damit er nicht sah, dass sie an nichts von alledem glaubte. Ihr kam es eher so vor, als wäre Mercy hinter einer Mauer verschwunden, wo sie sie nicht mehr hören, sehen und spüren konnte.
    Er sah Keisha an. »Deine Mutter hat oft darüber gesprochen, dass sie sich Sorgen um dich macht.«
    »Ich hab ihn verlassen«, entgegnete Keisha abrupt. »Sie ist nicht mehr dazu gekommen, Ihnen das zu erzählen, aber ich hab ihn verlassen – Rubys Vater. Mum hat ihn nie gemocht. Schon als wir damals zusammen zur Schule gegangen sind, konnte sie ihn nicht ausstehen.« Mist, sie war schon wieder den Tränen nah. Sie kniff das Gesicht zusammen.
    »Sie fehlt dir bestimmt sehr.«
    »Wer? Meine Mum oder Ruby? Die fehlen mir beide.« Pfaffengequatsche.
    »Dir stehen schwierige Entscheidungen bevor, Keisha.« Er lächelte sie schon wieder an. Es war echt nervig – was wusste er schon von ihren Entscheidungen?
    »Sehen Sie, Pastor, ich würde gerne diese Mrs Johnson besuchen. Sie war bei Mums Beerdigung so nett. Sie hat die ganzen Sandwiches gemacht, richtig? Und dabei hat sie gerade erst ihren Sohn verloren.« Keisha sagte das ganz schnell, denn sie war sich sicher, dass Gott und Pastor Samuel sie in Windeseile durchschauen würden.
    »Nun, ihr Sohn ist gerade hier.«
    Keisha musste schockiert dreingeschaut haben, denn er erklärte: »Ihr anderer Sohn, mein Kind. Ich rufe ihn mal. Ronald! Bist du hier, Bruder?«
    Er rief noch einmal, und dann öffnete sich die Tür, die in den hinteren Bereich der Kirche führte, und ein Mann kam herein. Er war echt groß, mit muskulösen Armen. Er trug eine Sporttasche über der Schulter, und sein schwarzes T-Shirt war stellenweise durchgeschwitzt. »Wir haben für heute Schluss gemacht, Pastor. Hab die Jungs in die Umkleide geschickt.« Er sah Keisha an, und sie sah ihn an – und die Muskeln, die sich unter seinem T-Shirt spannten. In einem Ohrläppchen trug er einen Ring.
    »Ronald, diese junge Dame möchte deine liebe Mutter besuchen. Sie ist die Tochter von Schwester Collins, du weißt doch: Mercy, die immer mit den Blumen geholfen hat.«
    »Ja, ich erinnere mich.« Sein Akzent war schwer einzuordnen, klang ebenso nach London wie nach Jamaika, und er sah sie immer noch an. »Mein Beileid.«
    Sie errötete, und dabei wurde ihre blöde helle Haut tatsächlich rot. »Ja, gleichfalls. Ich war ja hier – ich meine: auf der Beerdigung von deinem Bruder.«
    Sein Gesicht war ausdruckslos – und glatt wie poliertes Holz. »Lieb von dir. Und du willst zu meiner Mum?«
    Sie blickte zu Boden. »Ja, äh, ich wollte mich nur bedanken. Sie war so nett, als meine Mum … na ja, du weißt schon.«
    Pastor Samuel lächelte zwischen den beiden vor sich hin, als wäre er Cilla Black in Blind Date oder so. Ronald – blöder Name für so einen scharfen Typen – stellte die Tasche ab. Vom Hof hinter der Kirche hörte Keisha etwas, das nach zwanzig Jungs klang, die krakeelend herumliefen und Fanta tranken. Dann kamen die ersten herein – große, kleine und pummelige Jungs, denen Limonade vom Kinn tropfte. Sie waren alle schwarz. Und sie machten einen Heidenlärm, während sie sich um Ronald und den Pastor scharten, der seinen versehrten Arm hochhielt und lachte. »Jungs, Jungs, das hier ist das Haus des Herrn. Leiser, leiser!«
    Ronald räusperte sich und knurrte: »He! Mund halten!« Augenblicklich waren die Jungen still,

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