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Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Titel: Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire McGowan
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Ruby. Bloß dass Ruby immer ganz still war und umherschlich wie eine Maus. Ganz anders als diese Kinder.
    Ronald nahm sie beide unter die Arme, hob sie hoch, als wären sie leichter als Kissen, und forderte Keisha mit einer Kopfbewegung auf, ihm ins Wohnzimmer und weiter in die Küche zu folgen. Vor dem Fernseher saß ein alter Mann, so alt wie die in dem Pflegeheim, und aus der Küche duftete es nach Brathähnchen und Ingwer.
    »Lass die Kinder runter, Ronald«, sagte Mrs Johnson. »Wo warst du denn? Die ganze Zeit warte ich schon, dass du mir meinen Reiskocher runterholst.«
    »Jetzt bin ich ja da. Dieses Mädchen will mit dir sprechen.« Jetzt war sie also ein »Mädchen«. Alle sahen sie an: die dicke, schwabbelige Mrs Johnson, eine Frau, die Keisha auf Anthonys Beerdigung gesehen hatte und die anscheinend die Mutter seiner Kinder war, und schließlich war da auch noch seine dünne Schwester, die mit dem Afrolook. Sie hatte sich ein gemustertes Tuch ums Haar gebunden und lehnte in einer engen Jeans am Herd.
    Sie warf Keisha einen bösen Blick zu. »Ma, es wird allmählich spät. Muss ich da wirklich hin?«
    Mrs Johnson bedachte ihre Tochter mit einem Blick, den Keisha nur zu gut kannte. Ihre Mutter hatte diesen Blick auch immer angewandt. »Ich will nichts mehr hören! Und jetzt zieh dir was Anständiges an – in dieser Hose sieht alle Welt deinen Hintern. Es ist eine Schande!«
    Rachel zog eingeschnappt ab, und Keisha wich erneut zurück. »Entschuldigung, ich wollte nicht stören. Ich wollte mich nur noch mal bedanken, dafür, dass Sie bei meiner Mum so geholfen haben.«
    »Ach, das ist doch nicht der Rede wert.« Mrs Johnson kam zu ihr und ergriff mit ihren mehlbestäubten Händen Keishas. Sie roch nach Milch. »Du siehst ja ganz verhungert aus. Tanika wird noch ein weiteres Gedeck auflegen.«
    »Äh, nein, sorry, ich will Ihnen keine Umstände machen.« Aber Moment mal: Sie luden sie zum Essen ein. War das nicht genau das, was sie wollte?
    »Keine Widerworte. Deine arme Mutter wird sehen, dass ich mich gut um dich gekümmert habe.« Sie berührte sacht Keishas Wange und ließ einen Mehlhauch zurück, den Keisha nicht wegwischte. »Tanika, mach noch ein paar mehr von denen.«
    Tanika, die Kindsmutter, formte eine lange Reihe von Pastetchen und wellte sie mit einer Gabel. Sie schenkte Keisha ein kleines Lächeln, traurig und erschöpft. Sie hatte dunklere Haut als die Johnsons – Rachel war fast so hell wie Keisha, ein herrlicher Karamellton, die dumme Schlampe –, aber die rot geränderten Augen und dunklen Augenringe waren nicht zu übersehen. Trotz des ganzen Radaus und der Gespräche herrschte Trauer in diesem Haus, das spürte man. An den Anlass dieser Trauer weigerte sich Keisha jedoch jetzt zu denken.
    Wenn Keisha und Mercy damals zusammen zu Abend aßen, dann normalerweise auf den Knien, vor der Glotze, und selbst das hatten sie in den letzten Jahren nicht mehr getan. Die Johnsons hingegen aßen an einem großen Tisch, der im Wohnzimmer ausgezogen wurde. Anwesend waren Mutter und Tochter, Ronald, seine Schwägerin Tanika und ihre beiden Kinder – Anthonys Kinder – und zu guter Letzt der zahnlose alte Mann, der, wie sich herausstellte, Pappy genannt wurde. Er war der Vater von Mr Johnson, der vier Jahre zuvor verstorben war. Keisha erfuhr beim Essen eine ganze Menge über die Familie.
    »Diese ganzen Banden sind schuld, die sind immer in den Club gekommen. Mr Johnson hat einen Herzinfarkt gekriegt und ist tot umgefallen«, sagte Mrs Johnson und schlug sich an die Brust.
    »Ma!«, entgegnete Ronald gereizt. »Der Arzt hat gesagt, es lag an seinem Cholesterinspiegel. Du bist wirklich ganz besessen von diesen Banden.«
    »Cholesterin!«, schnaufte Mrs Johnson. »So was gab’s zu meiner Zeit gar nicht.« Den Spruch kannte Keisha auch von Mercy, und wie früher bei ihrer Mutter bog sich der Tisch förmlich unter all den Schmorgerichten, Pastetchen, Broten und Teigtaschen. Keisha versuchte, sich zu beherrschen, aß dann aber doch so viel, dass sie sich nicht erinnern konnte, wann sie das letzte Mal so zugeschlagen hatte. Jeder Bissen saftiges Fleisch und knusprig frittierte Banane vermittelte ihr das Gefühl, mit ihrer Mutter zusammen zu sein. Es war, als säße Mercy mit am Tisch.
    »Pappy, wisch dir das Kinn ab«, sagte Mrs Johnson. Sie hieß, wie Keisha später erfuhr, Asanta, aber alle nannten sie nur Mum oder Granny. Pappy lächelte die ganze Zeit vor sich hin, sagte aber kein Wort. Man wusste

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