Am Rande wohnen die Wilden
flußabwärts. Plötzlich hatten sie keine Eile mehr.
Der alte Buddy hockte auf einem umgestürzten Baum, einen alten Mantel um die Schultern, einen Schal von ehemals vielleicht roter Farbe um den Hals. Er war so hoch gezogen, daß nur das nasse, stumpfgraue Haar zu sehen war. Wie ein Büschel verbrannten Grases ragte es aus der Umhüllung.
Der Alte wandte langsam den Kopf, als er Schritte hinter sich hörte. Sein Gesicht war grau und zerfurcht, aber die Augen waren jung und dunkel. Als er Rod erkannte, zogen sie sich zu schmalen Schlitzen zusammen. Buddy lächelte.
Wortlos winkte er ihnen zu, sie damit gleichsam zum Schweigen auffordernd. Dann kramte er, ohne die primitive Angel loszulassen, einen mächtigen Schlüssel aus der Manteltasche und warf ihn Rod zu.
Rod fing ihn mit einer blitzschnellen Bewegung auf, dankte mit einem Kopfnicken und stapfte zum Haus zurück. Betty fror immer noch erbärmlich.
In der Hütte war die Luft warm und dumpfig. In dem aus runden Feldsteinen gemauerten Kamin prasselte ein Feuer aus mächtigen Holzscheiten und verbreitete einen Geruch aus Rauch, frischem Holz und feuchter Wärme.
Sie ließen sich auf eine Pritsche fallen, die mit mehreren Fellen bedeckt war. Rod wußte, daß diese Felle auf keinem Tier gewachsen waren, sondern aus Synthesefasern bestanden. Solche Felle konnte man heute in jedem Drugstore kaufen. Er legte den Arm um Bettys Schultern, er würde sie jetzt mehr brauchen als sie ihn. Dabei sagte er sich, daß es egoistisch war, sie mit in diese ekelhafte Sache hineinzuziehen.
Er stand auf und hängte den mit Wasser gefüllten Kessel über das Feuer. Es dauerte nicht lange, bis ein feines Singen verriet, daß nur noch Rum und Zucker zu einem wärmenden Grog fehlten. Rod kannte sich in der Hütte aus und fand beides ohne langes Suchen.
Der Grog war heiß, steif und süß, und sie rückten wieder näher zusammen.
Betty war es, die das Schweigen nicht länger aushielt. »Was war das dort draußen auf der Straße, Rod? Es war derart unheimlich, daß ich gar nicht hingesehen habe. Ich bin nur gelaufen.«
Rod hob die Schultern.
»Keine Ahnung, Betty. Ich kann mich nur daran erinnern, daß plötzlich über uns ein blendend helles Licht war. Auch ich bin gerannt, als wäre der Teufel hinter uns her.«
»Sind wir hier wirklich sicher?« fragte sie, und Rod antwortete nicht. Er dachte daran, daß er sie verlieren würde. Sie konnte nicht bei ihm bleiben, wenn sie ihr Leben nicht genauso verpfuschen wollte, wie er es getan hatte. Er preßte die Zähne zusammen, um nicht aufzustöhnen. Dann versuchte er, sich die eigenartige Rettung wieder zu vergegenwärtigen. Bei dem Gedanken, daß er ihre Flucht innerlich als Rettung bezeichnete, lachte er unfroh. Er merkte nicht, daß ihn Betty erstaunt anblickte.
Im Morgengrauen waren sie die Straße am See entlang gefahren. Der Beamte hinter dem Lenkrad hatte aus dem alten, klapprigen Chrysler herausgeholt, was er hergab. Die Bäume am Rand der Straße flogen wie Schatten vorbei, doch dann waren sie plötzlich wie in gleißendes Licht getaucht. Rod sah, wie der Fahrer nach oben blickte, er erinnerte sich gut an das entsetzte Gesicht im Rückspiegel. Er spürte, wie der Wagen ins Schleudern kam, und war auf dem Rücksitz nach vorn gerutscht, hatte sich mit Knien und Rücken zwischen den Sitzen verklemmt. Auf der linken Seite schien sich die Straße anzuheben. Es war ein blödsinniges Gefühl. Dann krachte und schepperte es, sein rechter Ellbogen durchstieß die Scheibe, und dann deckten die Geräusche des sich überschlagenden Wagens alles andere zu.
Als alles wieder ruhig geworden war, hing er mit dem Gesäß nach oben immer noch auf dem Rücksitz. Er ließ sich auf die Bespannung des Daches fallen, das jetzt plötzlich zum Boden des umgestürzten Wagens geworden war, und bekam zu allem Überfluß auch noch die Sitzbank ins Kreuz.
Betty mußte es ähnlich ergangen sein. Auch sie war bis auf einige Beulen unverletzt. Die beiden Polizisten hatte es wohl schlimmer erwischt; sie rührten sich nicht und atmeten mühsam. Er erinnerte sich daran, wie erfreut er war, als sich die hintere Tür öffnen ließ. Er hatte Betty nach draußen gezerrt, ohne ihr eine Gelegenheit zur Überlegung zu geben. Die Flucht war eine reine Affekthandlung. Bei genauerem Nachdenken mußte er sich eingestehen, daß er keine Chance hatte, der Gerechtigkeit zu entgehen. Mochten die Polizisten sein, wie sie wollten, sie hatten in der vergangenen Zeit
Weitere Kostenlose Bücher