Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
Kampf und Abschlachten. Waren diese Menschen wirklich so kriegerisch oder sind das nur die Geschichten, die einfach deshalb so oft erzählt werden, weil sie schön gruselig sind? Unser Begleiter schaut mich an.
»Nein, die waren so«, sagt er.
Der Grund liege aber auf der Hand: Die Inseln seien nicht sehr fruchtbar. Zwar gäbe es Unmengen an Pflanzen, aber die Ausbeute an Fleisch und Früchten sei in früheren Zeiten sehr gering gewesen.
Die Bevölkerung habe sich aber natürlich dennoch vermehrt. Die Menschen seien einfach alle gleich. Und so sei es immer wieder zum Kampf um die wenigen Ressourcen gekommen.
Erst nach Ankunft der Europäer seien bestimmte Sorten Obst, Gemüse und Tiere verfügbar gewesen. Warum sie sich denn nicht gegen die ersten weißen Einwanderer gewehrt hätten, wenn sie schon so kampfeswillig gewesen seien, will ich wissen.
»Ganz einfach«, sagt er lächelnd. »Die haben uns doch Schweine und Glasperlen gegeben.«
Der neuseeländische Historiker Buddy Mikaere sieht die Ankunft der P ā keh ā zu deren ersten Vertretern 1769 James Cook gehörte, sogar als Befreiung für die Maori aus einer Welt voller Gewalt und kriegerischer Konflikte. Mikaere beschreibt seine maorischen Vorfahren als schroff und gnadenlos. Um sich und das wertvolle fruchtbare Land gegen andere Stämme, die Iwi, verteidigen zu können, errichtete man ein sogenanntes P ā . Dabei handelt es sich um eine Art Fort, das sich mit seinen Palisaden und Wehreinrichtungen nicht vor einem römischen Stützpunkt hätte verstecken müssen. Die hölzerne und steinerne Umfriedung eines P ā war bis zu einen Kilometer lang. Der Bau war mit ungeheuren Anstrengungen verbunden – um so etwas zu leisten , muss man schon in ständiger Angst vor Übergriffen leben.
Mikaere beschreibt seine Vorfahren als höchst emotional. Ehre und Prestige, das »mana«, seien enorm wichtig gewesen. Unbedachte Äußerungen oder bewusste Beleidigungen konnten schnell zu einer Verstimmung führen, für die es nur einen gewaltsamen Ausweg gab, die Rache – »utu«. Das löste dann eine brutale Spirale der Gewalt zwischen den beteiligten Stämmen aus, die kaum noch zu stoppen war.
Unser Fremdenführer möchte mir jetzt Details über die Umgebung, in der wir uns befinden, nahebringen: So sei der schwarze Schlamm für Probleme mit den Muskeln und Knochen am besten geeignet, der helle Schlamm eher für Hautkrankheiten. Der Graue für – beides. Ich verzichtete darauf, ihm was von evidenzbasierter Medizin zu erzählen.
Nun ja, aber es ist ja so, dass die Maori einige Jahrhunderte Zeit hatten, die Auswirkungen der verschiedenen Schlammpampen auf diverse Menschen und deren Krankheiten zu beobachten. Die sind ja nun auch nicht gerade zimperlich mit ihrem Körper umgegangen – und erst recht nicht mit dem anderer Leute. Ob sich da nicht vielleicht ein Erkenntnisgewinn durch vielerlei Versuchsreihen ergeben haben kann? Zum Beispiel könnte man dann feststellen, dass 87 von 106 Gefangenen nach dem Bad in der hellgrauen Mocke keine Hühneraugen und Dornwarzen mehr hatten und 39 von 42 gegnerischen Kriegern ohne Rheumabeschwerden aus dem schwarzen Modder stiegen. Vielleicht kamen bei den damals üblichen Garzeiten viele feindlich Gesottene auch ganz ohne Vitalfunktionen aus dem Badness- Bereich.
Vielleicht führten die maorischen Bademeister sogar eine Strichliste. In dem Fall hätte dein Fremdenführer doch recht gehabt: Dann hätte er nämlich dir gerade etwas von evidenzbasierter Medizin erzählt!
Wenn die Maori eine solche Statistik gehabt hätten, dann wäre die Schlammkur durchaus evidenzbasiert. Aber um im Medizinolymp mit zuspielen, sollten die Testreihen doppelblind und randomisiert sein. Würdest du ähnlichen Respekt gegenüber Homöopathen, Astrologen oder Hirseheilern aufbringen? Die machen das ja auch schon seit Jahrhunderten. Das Argument, es handle sich um eine jahrhundertealte Praxis, taucht immer wieder auf, meist bei Dingen, die eh nicht helfen. Dabei unterliegt man einem Trugschluss: Wenn etwas vor hundert Jahren bekannt war, das auch heute noch richtig ist, heißt das nicht, dass alles, was vor hundert Jahren bekannt war, auch heute noch richtig sein muss. Somit kann der Satz höchstens Faszination ausdrücken, aber nicht als Argument dienen.
So, jetzt musst du schreiben: »Aber das ist ja wie im Mittelalter, du Inquisitor! Ich bin Galileo!«
Dann kann ich nämlich schreiben: Eben nicht! Eher im Gegenteil: Galileo war der Logiker, also ich,
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