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Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
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Bewerbern ausgewählt. Er trägt eine Maske, wenn er auf den Knopf drückt, und erhält die fürstliche Summe von einhundertfünfzig Dollar pro Hinrichtung.
    Der Hinrichtungsraum selbst ist eine ziemlich primitive Angelegenheit. Er ist ungefähr zwanzig Quadratmeter groß, und
das gesamte Mobiliar besteht aus einem massiven Eichenstuhl, der auf einer Gummimatte steht und mit Schrauben im Boden verankert ist. Die Stromquelle für den Stuhl ist ein Dieselgenerator, der eine Stromstärke von dreitausend Volt und zwanzig Ampere erzeugen kann. Ich muß allerdings sagen, daß ich die Unterscheidung nicht verstehe. Aber es ist sowieso belanglos, weil ein Transformator hinter dem Stuhl diese dreitausend Volt und zwanzig Ampere in vierzigtausend Watt umwandelt, und das reicht aus, um die Körpertemperatur der Person auf dem Stuhl mit einem Schlag auf fünfundsechzig Grad zu erhöhen.«
    »Mein Gott!«
    »Wenn der Verurteilte auf dem Stuhl sitzt, blickt er auf eine Glaswand, hinter der sich ein kleiner Raum mit zweiundzwanzig Sitzplätzen befindet. Zwölf davon sind für amtliche Zeugen bestimmt, die vom Gefängnisdirektor ausgesucht werden, die restlichen für Reporter. Unmittelbar vor der Hinrichtung wird der Häftling in den sogenannten Vorbereitungsraum gebracht, wo sein Kopf und sein rechtes Bein rasiert werden, damit die Stromleitungen angelegt werden können, wie sie es auch im Film immer zeigen. Im Kino wird allerdings nicht gezeigt, daß der Kopf des Häftlings außerdem mit Salzwasser befeuchtet wird, damit ein guter Kontakt zustande kommen kann. Wenn er auf dem Stuhl sitzt, hat er natürlich eine Gummihaube über dem Kopf. Angeblich zurren sie ihm auch ein Gummiband um den Penis und stopfen ihm Watte in den Hintern. Ach, und hinter dem Stuhl sind noch zwei Telefone, eins mit einer internen Anstaltsleitung, das andere mit einer Leitung zum Gouverneur, für den Fall, daß er sich’s in letzter Minute anders überlegen sollte.«
    »Unglaublich«, sagte ich, während ich versuchte, die drastischen Bilder loszuwerden, die sich mir aufdrängten.
    »Keine vier Minuten nach Betreten der Todeszelle ist der Gefangene tot. Die Leiche wird in einen schwarzen Sack gesteckt und begraben. Mangelnde Effizienz kann man dem Staat Florida bestimmt nicht vorwerfen.«
    »Ich glaub’s nicht«, sagte ich.

    »Meinst du vielleicht, ich hab mir das alles ausgedacht«, sagte sie.
    »Davon spreche ich nicht.«
    »Wovon sprichst du dann?«
    »Ich bin ganz überwältigt von dir«, sagte ich.
    »Was soll das denn heißen?«
    »Ich bin überwältigt davon, was du alles weißt.«
    Sie zuckte die Achseln. »Ich hab ein bißchen was gelesen, das ist alles. Ich kann lesen, falls du das nicht wissen solltest.«
    »Aber du erinnerst dich an jedes Detail. Das ist das Erstaunliche.«
    »Was ist daran so erstaunlich? Ich habe ein fotografisches Gedächtnis. Das ist doch nichts Besonderes. Außerdem hab ich gewissermaßen ein persönliches Interesse an dieser Thematik.«
    »Hast du mal dran gedacht, noch mal ein Studium anzufangen und Juristin zu werden?« Der Einfall kam mir, während ich sprach.
    »Spinnst du?«
    »Nein, das ist mein Ernst«, versicherte ich, mich für die Idee erwärmend. »Ich bin sicher, du würdest eine ausgezeichnete Juristin werden. Du bist intelligent. Du hast ein großartiges Gedächtnis. Du hattest all diese Fakten und Zahlen eben auf Anhieb parat. Und argumentieren kannst du absolut erstklassig. Du hättest überhaupt keine Mühe, die Geschworenen von deinem Standpunkt zu überzeugen.«
    »Ich bin damals rausgeschmissen worden, weißt du das nicht mehr?«
    »Aber doch nur, weil du dich überhaupt nicht bemüht hast. Du könntest noch mal anfangen und deinen Abschluß machen.«
    »Ein Studium ist nicht alles«, entgegnete sie abwehrend.
    »Nein, natürlich nicht«, stimmte ich hastig zu. »Aber du bist ein Naturtalent. Ich meine, du hättest dich eben hören sollen. Du hast das wirklich raus. Ich wette, du wärst große Klasse. Du könntest noch mal anfangen zu studieren, deinen Abschluß als Juristin machen und dann selbst Colin verteidigen. Wenn jemand
ihn vor dem elektrischen Stuhl retten kann, dann du.« Meine Schwester, die Anwältin, dachte ich. Mein Schwager, der Serienmörder.
    Ein zögerndes Lächeln breitete sich auf Jo Lynns Gesicht aus. »Ja, wahrscheinlich wär ich wirklich eine gute Anwältin.«
    »Bestimmt.«
    Sie holte tief Luft und hielt das Lächeln noch einen Moment fest, ehe sie es fallen ließ. »Nein«,

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