Am Seidenen Faden
mit ihm darüber gesprochen?«
Sie lachte bitter. »Mein Vater ist ein vielbeschäftigter Mann. Außerdem interessiert es ihn nicht, was ich zu sagen habe. Das war schon immer so.«
»Hat er wieder geheiratet?«
»Mehrmals. Im Augenblick befindet er sich im Interregnum, wie er gern sagt.«
»Er scheint ein sehr selbstsüchtiger Mann zu sein.«
»Das ist er. Das ist ein Teil seines Charmes.« Sie schüttelte den Kopf. »Es ist schon komisch.«
»Was?«
»Ich habe mir geschworen, ich würde mich niemals mit einem Mann einlassen, der auch nur die geringste Ähnlichkeit mit ihm hat. Und was habe ich getan?«
»Was haben Sie denn getan?« fragte ich, obwohl ich es überhaupt nicht wissen wollte.
»Ich habe Robert geheiratet«, antwortete sie.
»Hat Robert Ähnlichkeit mit ihrem Vater?«
»Er ist genau wie mein Vater.«
Jetzt mußte ich erst einmal schlucken. »Inwiefern?«
»Er sieht blendend aus, er ist intelligent, hat Charme, ist absolut selbstsüchtig und egozentrisch und arrogant dazu. Arroganz wirkt bei einem Mann sehr erotisch, finden Sie nicht?«
»Es besteht ein Unterschied zwischen Arroganz und Selbstbewußtsein«, sagte ich, vor der Bemerkung über die Erotik zurückschreckend.
»Robert ist beides, arrogant und selbstbewußt. Finden Sie nicht auch?«
»Dazu kenne ich ihn nicht gut genug«, wich ich aus.
»Aber Sie haben ihn doch in der Schule gekannt«, entgegnete Brandi. »Wie war er damals?«
»Er sah blendend aus, war intelligent, hatte Charme, war selbstsüchtig und egozentrisch«, antwortete ich, ihre Worte wiederholend. »Und arrogant«, fügte ich wahrheitsgemäß hinzu.
Sie lächelte. »Und sexy, stimmt’s?«
»Und sexy«, gab ich zu, da ich einsah, daß es sinnlos war zu lügen.
»Ich habe ihn auf eine Meile Entfernung gesehen«, fuhr Brandi fort. »Bleib dem bloß aus dem Weg, hab ich mir gesagt. Der ist gefährlich. Aber das war natürlich gerade das Verlockende an ihm. Ich kannte seinen Ruf. Ach was, ich kannte schon im ersten Moment, als ich ihn sah, seine Frauengeschichten. Er war runtergerissen mein Vater. Und obwohl ich genau wußte, daß ich ihn niemals ändern würde, muß ich irgendwie tief im Innern geglaubt haben, ich würde es doch schaffen. Irgendwas in meinem Innern muß mich gedrängt haben zu beweisen, daß ich nicht meine Mutter bin, daß ich der Geschichte ein Happy-End geben könnte.« Sie lachte. »Sie sehen, ich habe sämtliche Selbsthilfebücher gelesen. Ich bin mir über meine eigenen Motive ziemlich im klaren.«
»Sie wollen sagen, daß Sie glauben, Robert betrügt Sie?«
»Ich weiß , daß er mich betrügt.«
»Woher wissen Sie das?«
»Er betrügt mich seit fast zwanzig Jahren«, sagte sie.
Mein Stift rollte mir vom Schoß und fiel zu Boden. Ich bückte mich ungeschickt, um ihn aufzuheben.
»Es fing knapp ein Jahr nach unserer Hochzeit an. Ich glaube, es war seine Sekretärin. Das ging ungefähr sechs Monate, dann war Schluß.«
»Er hat Ihnen von ihr erzählt?«
»O nein! Ich habe gesagt, daß er arrogant ist. Aber dumm ist er nicht.«
»Wie sind Sie dahintergekommen?«
»Ich bin auch nicht dumm«, erklärte sie schlicht.
»Haben Sie ihn damit konfrontiert?«
Sie schüttelte den Kopf. »Eine Konfrontation hätte Konsequenzen verlangt. Dazu war ich nicht bereit.«
»Und jetzt?«
»Ich liebe meinen Mann, Kate. Ich will ihn nicht verlieren.«
»Was glauben Sie denn, wie ich Ihnen helfen kann?« fragte ich schließlich.
»Sagen Sie mir, was ich tun soll.«
»Das kann ich nicht.«
»Ich wußte, daß Sie das sagen würden.« Sie versuchte zu lachen, doch der Laut, der aus ihrem Mund drang, zersplitterte in der Luft. »Aber mir gehen einfach die Ideen aus. Ich habe wirklich alles versucht, ich habe mich völlig verbogen, um ihm zu gefallen.« Sie zupfte an ihrem allzu schwarzen, gelackten Haar. »Ich trage mein Haar so, weil Robert lange Haare mag. Er haßt graues Haar, also lasse ich es alle drei Wochen nachfärben. Ich besitze sämtliche Anti-Faltencremes, die auf dem Markt sind, und gehe dreimal in der Woche zum Fitneßtraining. Aber das bringt die Jugend auch nicht zurück. Ich bin sechsundvierzig Jahre alt, ich habe vier Kinder geboren. Mein Muskeltonus wird nie wieder so werden, wie er mal war.« Sie hob die rechte Hand und schob das Haar von ihrem Ohr zurück. »Vor vier Jahren habe ich mich liften lassen. Ich weiß nicht, ob Sie die Narben sehen können.«
»Nein«, sagte ich und sah dann doch widerwillig hin, weil klar war, daß
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