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Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie ihr Haar erst wieder herunterfallen lassen würde, wenn ich geschaut hatte. »Es ist sehr gut gemacht«, murmelte ich.
    »Aber ich hatte höllische Schmerzen, das kann ich Ihnen sagen. Ich habe mich gefühlt, als wäre ich von einem Lastwagen überfahren worden. Mein Gesicht und mein Hals waren monatelang voller Blutergüsse. Das sagen sie einem vorher nicht. Es werde eine Weile etwas unangenehm sein, und man müsse mit ein paar kleinen Schwellungen rechnen, sagen sie. Vielleicht ein, zwei Wochen lang. Ha! Ich war monatelang total fertig. Aber das war alles nichts gegen die Bauchoperation im letzten Frühjahr.«
    »Sie haben sich den Bauch operieren lassen?«
    »Ich habe alles machen lassen, was man überhaupt machen lassen kann. Das Gesicht, den Bauch, die Schenkel, den Busen.«
    »Sie haben sich die Brust vergrößern lassen?«

    »Nach vier Kindern war mein Busen nicht mehr so knackig wie früher, und Robert – Sie haben ihn ja gesehen, er sieht noch genauso gut aus wie vor dreißig Jahren. Er hat diesen schlanken, athletischen Körper, der kein Gramm Fett ansetzt, und ich – ich habe ausgesehen wie eine Frau, die vier Kinder geboren hat und in die Jahre gekommen ist. Ich konnte es ihm nicht verübeln, daß er sich anderswo umgeschaut hat.«
    »War es einfacher für Sie, sich selbst die Schuld daran zu geben?«
    »Ja, wahrscheinlich. Da hatte ich wenigstens das Gefühl, es läge an mir, ich könnte etwas tun, um zu erreichen, daß Robert mich wieder so ansieht, wie er mich früher angesehen hat. Aber wissen Sie, was ich inzwischen begriffen habe?« Sie wartete.
    »Was denn?«
    »Daß mein Mann ganz einfach die Abwechslung mag. Ja, genau das ist der springende Punkt. Es geht überhaupt nicht darum, daß ich jünger aussehe oder auch besser. Einige der Frauen, mit denen Robert mich im Lauf der Jahre betrogen hat, waren älter als ich. Und einige waren nicht einmal besonders attraktiv. Das, was ihn an diesen Frauen gereizt hat, war das Neue, das Ungewohnte. Sie müssen gar nicht jung sein, Hauptsache, er fühlt sich jung mit ihnen.«
    Ich senkte meinen Blick und zählte lautlos bis zehn. »Und wie ist es sexuell zwischen Ihnen?«
    Meine Frau und ich haben seit drei Jahren nicht mehr miteinander geschlafen, hörte ich Robert sagen.
    »Gut.«
    »Gut? Was heißt das?«
    »Gut eben. Sexuell haben wir uns immer gut verstanden.«
    Ich zog am obersten Knopf meiner Bluse. »Sie schlafen also noch miteinander.«
    »O ja, da hatten wir nie Probleme. Sie sehen überrascht aus?«
    »Nein.« Ich bemühte mich heftig, keine Miene zu verziehen. »Nein«, sagte ich wieder und wurde mir bewußt, daß es wahr war. »Ich bin nicht überrascht.«

    »Wissen Sie, das Niederschmetternde ist, daß ich ernstlich geglaubt hatte, wir hätten endlich alle Hürden gemeistert. Die Kinder werden älter. Sie sind selbständiger. Wir haben uns in letzter Zeit so gut verstanden wie lange nicht mehr. Seine letzte Affäre liegt anderthalb Jahre zurück. Und jetzt das.«
    »Das?«
    »Es geht wieder los. Er hat ein Verhältnis. Oder fängt gerade eins an.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ich kenne doch die Anzeichen. Glauben Sie mir, ich weiß es.«
    »Wissen Sie, wer die Frau ist?« Ich wartete mit angehaltenem Atem.
    »Es spielt keine Rolle, wer die Frau ist«, antwortete sie wegwerfend.
    »Was spielt denn dann eine Rolle?«
    »Ich glaube nicht, daß ich das alles noch einmal durchstehen kann. Die Lügen, den Verrat, die Mißachtung meiner Gefühle. Ich glaube nicht, daß ich es schaffe, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung. Das macht mir angst. Ich bin so lange Mrs. Robert Crowe, daß ich gar nicht weiß, ob ich als eigene Person überhaupt noch existiere. Ich habe alles getan, was in meiner Macht stand, um meinen Mann glücklich zu machen. Ich habe mich verbogen bis zur Selbstverleugnung, um ihm zu gefallen. Ich habe so oft an meinem Körper herumdoktern lassen, daß ich mich an manchen Tagen selbst nicht erkenne, wenn ich in den Spiegel sehe. Es ist, als wäre von mir überhaupt nichts mehr übrig.« Sie stand auf, ging langsam zum Fenster und blickte auf die Straße hinunter. »Was sagt das über mich, daß ich mir all die Jahre seine Untreue habe gefallen lassen?« Sie wartete nicht auf meine Antwort. »Soll ich Ihnen sagen, was wirklich erschreckend ist?«
    »Was denn?«
    »Ich bin genau wie meine Mutter.«
    Auf diese Antwort war ich nicht gefaßt gewesen. »Wie kommen Sie

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