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Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
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aushalten kannst, wenn jemand dir einen einfachen Vorschlag macht?«
    »Hältst du dich für so grandios, daß du dir nicht vorstellen kannst, daß ich deine Vorschläge vielleicht gar nicht brauche?«
    »Manchmal bist du wirklich unglaublich mies!«
    Er schaltete den Fernsehapparat aus und ging.
    »Wohin gehst du?«
    »Schlafen.«

    »Ich dachte, wir reden miteinander.«
    »Das Gespräch ist beendet.«
    »Wieso? Weil du es sagst?«
    »Ganz recht.«
    Ich folgte ihm ins Schlafzimmer. »Du benimmst dich ja sehr erwachsen.«
    »Einer muß es ja tun.«
    »Was soll das heißen?«
    Er trat zum Bett und begann, die Kissen in die Luft zu schleudern. »Ich hab keine Lust, mit dir zu streiten, Kate. Ich bin hundemüde. Du drangsalierst mich schon die ganze Woche.«
    »Ich drangsaliere dich?«
    »Ja.«
    »Wie kann ich dich drangsalieren, wenn du nie zu Hause bist?«
    »Ich weiß es nicht, aber du schaffst es.« Er fegte die restlichen Kissen zu Boden. Eines landete dicht vor meinen Füßen.
    »Hey, paß auf!« schrie ich, als hätte mich ein Stein getroffen.
    Er sah mich verdutzt an. »Was ist denn?«
    »Du hättest mich beinahe getroffen.«
    »Was redest du da? Das Ding ist doch nicht mal in deiner Nähe.« Er zog den Überwurf vom Bett und begann, sich auszuziehen.
    »Untersteh dich, jetzt zu schlafen«, sagte ich.
    »Kate, ich hab einen langen Tag gehabt. Du bist offensichtlich völlig aus dem Häuschen über irgendwas, und ich glaube nicht, daß es auch nur das Geringste mit Sara oder mir zu tun hat.«
    »Ach, wirklich? Ich wußte gar nicht, daß du so ein großartiger Psychologe bist.«
    »Komm, hören wir auf, bevor wir etwas sagen, das uns hinterher leid tut.«
    »Aber ich will nicht aufhören. Ich möchte wissen, worüber ich deiner Meinung nach so aus dem Häuschen sein soll.«
    »Das weiß ich nicht. Vielleicht wegen deiner Schwester, vielleicht wegen deiner Mutter, vielleicht wegen irgendwas, das mit deiner Arbeit zu tun hat.«

    »Oder vielleicht deinetwegen!« schoß ich zurück.
    »Ja, vielleicht«, stimmte er zu. »Vielleicht hast du recht, und ich bin das Problem. Ich akzeptiere es. Du hast gesiegt. Ich bin ein verkommenes Subjekt.«
    »Ich hab nie gesagt, daß du ein verkommenenes Subjekt bist.«
    »Aber es lag dir schon auf der Zunge.«
    »Dreh mir nicht das Wort im Mund herum.«
    »Ich würd dir am liebsten einen Knebel reinstopfen.«
    »Was?« rief ich. »Willst du mir vielleicht drohen?«
    Sein Gesicht war rot vor Zorn. »Ich schlage vor, daß wir jetzt beide den Mund halten und versuchen zu schlafen.«
    »Du willst mir befehlen, den Mund zu halten?«
    »Ich schlage vor, daß wir jetzt schlafen.«
    »Ich will aber nicht schlafen.«
    »Dann halt endlich die Klappe, verdammt noch mal!« schrie er und legte sich ins Bett.
    Und dann sagte er kein einziges Wort mehr. Ganz gleich, was ich sagte oder tat, welches Mittel ich anwandte, um ihn zu provozieren und wieder in den Streit hineinzuziehen, er reagierte nicht. Statt dessen zog er sich zurück, vergrub sich unter der Decke wie in einem Kokon. Je mehr ich versuchte ihn zu reizen, desto mehr entfernte er sich.
    Ich beschuldigte ihn, ein erbärmlicher Ehemann, ein schlechter Vater, ein gleichgültiger Sohn zu sein.
    Er seufzte und drehte sich um.
    Ich beschuldigte ihn, für sein Golfspiel mehr übrig zu haben als für seine Familie.
    Er klappte sich das Kissen über die Ohren.
    Ich sagte, er wäre egoistisch, kindisch und gemein.
    Er zog sich die Decke über den Kopf.
    Ich sagte, er wäre eine einzige passive Aggression.
    Er täuschte Schlaf vor.
    Ich sagte, er solle zur Hölle fahren.
    Er begann zu schnarchen.
    Ich stürmte aus dem Zimmer.

    Wir sprachen drei Tage lang nicht miteinander.
    Es half überhaupt nichts, daß ich wußte, daß Larry recht hatte. Er war nicht das Problem. Es hätte mich vielleicht gefreut, wenn er an den Wochenenden mehr zu Hause gewesen wäre, aber ich kann mit aller Aufrichtigkeit sagen, daß ich ihm sein Golfspiel nicht mißgönnte. Vielleicht war ich sogar ein bißchen neidisch. Larry hatte wenigstens eine Zuflucht, einen Ort, an den er vor dem Wahnsinn fliehen konnte, der rund um uns herum zu toben schien. Ich hatte nichts dergleichen. Die Arbeit half mir nicht – sie verstärkte nur mein inneres Chaos. Ich war so beschäftigt damit, in der Praxis ständig beherrscht zu sein, daß ich zu Hause oft jede Beherrschung verlor. Larry war mein Sündenbock, und eine Zeitlang schien er dafür Verständnis zu haben, aber kein Mensch kann

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