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Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Titel: Am Sonntag blieb der Rabbi weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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vorbei, gibt dann aber gleich wieder Gas und fährt weiter.»
    «Paff», meinte Lanigan. Der Rabbi nickte.
    «Da wurde ich nervös», fuhr Jenkins fort, «und ließ die Jalousien runter. Ich hatte eine Taschenlampe bei mir, aber das Licht der Straßenlaterne schimmerte immer noch durch die Jalousien. Ich dachte, dann kann man den Schein der Taschenlampe womöglich von der Straße aus sehen, und zog diese schweren Samtvorhänge zu, bis es stockfinster war. Dann erst knipste ich die Taschenlampe an.»
    «Haben Sie mal nach Moose geschaut? War zu diesem Zeitpunkt noch alles in Ordnung?»
    «Ich brauchte nicht nach ihm zu schauen. Ich konnte ihn schnarchen hören … Aber auf die Straße hab ich geschaut von Zeit zu Zeit, durch den Vorhangspalt. Und einmal, da stand ein Auto unter der Laterne. Am Steuer saß einer und hatte offenbar massig Zeit.»
    «War es der gleiche Wagen?», warf Lanigan ein.
    «Keine Ahnung.» Jenkins schüttelte den Kopf. «Beim ersten Mal hab ich ja praktisch nur die Scheinwerfer gesehen. Aber ich glaube eigentlich nicht, dass es derselbe Wagen war … Ich habe mich nicht so darum kümmern können, weil dann dieser dritte Wagen …»
    «Moment mal – ein dritter Wagen?»
    «Ja. Der erste, das war der, der ganz langsam vorbeigefahren ist. Der zweite bleibt stehen und wartet … Als ich den dritten sah, dachte ich, jetzt bist du dran – das ist wie mit dem Zündholz, an dem man keine drei Zigaretten anzünden darf. Der dritte hält an und kommt ins Haus, dachte ich.»
    Lanigan verfolgte die Sache zunächst nicht weiter. Er fragte, und es klang zweifelnd: «Und die ganze Zeit haben Sie kein einziges Mal an Moose gedacht?»
    «Klar hab ich an ihn gedacht», antwortete Jenkins bereitwillig. «Ich hab daran gedacht, dass er … wie haben Sie das ausgedrückt … so schön hilflos daliegt.»
    «Aha!» Lanigan rückte mit seinem Stuhl vor.
    «Ja – ich wollte es ihm heimzahlen! Ihm irgendeinen blöden Streich spielen, egal was – dann wäre mir wohler gewesen … Ich hatte mein Malzeug nicht bei mir, sonst hätte ich ihm vielleicht einfach das Gesicht schwarz angemalt. Kindisch, klar. Aber ich lachte mich schief bei dem Gedanken, was er wohl macht, wenn ihn die andern so finden … Ich dachte auch daran, ihm die Haare abzuschneiden, meine Initialen hineinzuscheren oder so was. Oder ihm die Schuhe zu verstecken … Aber dazu hätte ich ihn auspacken müssen, und dazu hatte ich keine Lust.»
    «Verständlich», bemerkte Lanigan trocken.
    «Ach – Sie denken wohl, ich hatte Angst vor ihm?»
    «Der Gedanke ging mir schon mal durch den Kopf.»
    Jenkins machte eine wegwerfende Handbewegung. «Auf einen Boxkampf nach den internationalen Regeln oder so hätte ich mich nie mit ihm eingelassen – ich bin doch nicht verrückt! Er wiegt … Er hat bestimmt fünfzig Pfund mehr gewogen als ich. Aber wenn wir beide am Strand unten allein gewesen wären, als er seine faulen Sprüche losließ, da wär ich mit ’nem Stein auf ihn los.»
    «Und jetzt waren Sie mit ihm allein.»
    «Hm, hm. Ich hatte ’ne Stinkwut: Da war meine Chance, und mir fiel nichts Vernünftiges ein … Schließlich hab ich ihm sein Zigarettenetui geklaut. Ich gebe zu, es war kein besonders origineller Einfall.»
    «Sie haben sein Zigarettenetui …?»
    «Ja. Das Ding war mir schon am Abend aufgefallen. Auf der einen Seite normale Zigaretten, auf der andren …» Er hielt inne.
    «Marihuana?» Lanigan hob die Brauen.
    «Ja.»
    «Hat er am Abend davon geraucht?», fragte Lanigan.
    «Nein, nur von den normalen. Aber ich hatte die andern gesehen. Sie kamen mir sehr gelegen, weil ich am nächsten Tag nach New York wollte. Da hab ich mir also das Etui geangelt – aus der Brusttasche seines Hemdes. Dann bin ich ins Wohnzimmer zurück und hab nochmal rausgeschaut. Der Wagen war weg. Da hab ich gemacht, dass ich wegkam.»
    «Und die Tür haben Sie offen gelassen, damit Gorfinkle und Jacobs wieder ins Haus konnten, ja?», fragte der Rabbi.
    Jenkins schüttelte den Kopf. «Wozu denn?» Er lächelte. «Nee, die Tür hab ich auf Verriegelung gestellt und hinter mir zugeknallt … Die wollten doch bloß kommen, um diesen Moose abzuholen.»
50
    Der junge Mann war empört. «Ich seh, wie sie den Häftling reinbringen, und da will ich ein Bild schießen – ist doch klar. Aber dieser Lieutenant Jennings stellt sich dazwischen. Dann will ich von Lanigan ein paar Fragen beantwortet haben, aber der knurrt mich bloß an: ‹Kein Kommentar …› Also beschließ

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