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Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel

Titel: Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langen Müller
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sämtliche Gesundheitswasser ausprobiert und alle notwendigen Enzyme und Vitamine intus habe, die aus einem betagten Menschen einen quicklebendigen Springinsfeld machen, beklage ich mich nie mehr, dass das Leben verdammt unübersichtlich geworden ist. Ich nehme an einem Philosophiekurs teil, suche tapfer nach dem Sinn des Lebens, laufe in fair gehandelten Schuhen durch Wald und Heide und rühre das ganz große Glück aus Sternenstaub und Augenwischerei.

Kind in einer Vollmondnacht
    Mich wundert es nicht, dass mir die heutigen Kinder so viel schlauer vorkommen, als wir es waren. Die glücklichen Heutigen bekommen den Dummsatz der Altvorderen, dass man Kinder sehen, aber nicht hören sollte, nicht mehr zu hören. Fragen, in meiner Kindheit von den Respektspersonen als lästige Begleiterscheinung auf dem Weg zur Menschwerdung abgetan, werden von Eltern heute so ernsthaft beantwortet, als hinge von dem Wörtchen »Warum?« aus Kindermund das Glück der gesamten Familie ab. Mundhalten gilt nicht mehr als Kindertugend, von Minimenschen fordert nur noch der Nikolaus mit dem lächerlichen Drohgebaren von vorgestern Gehorsam und Fleiß.
    Mich und meinen dreijährigen Großneffen Max trennen 75 Jahre. Er interessiert sich für Lampen, Staubsauger und Handys und findet Sachbücher spannend, die mich als Kind zu Tode gelangweilt hätten. Schon heute weiß er mehr von Sonne, Mond und Sternen als ich. Mir hat man noch weisgemacht, die Sonne würde weinen, wenn kleine Mädchen ihren Spinat nicht essen. Mein Mond hat Pfeife geraucht, traurige Sterne getröstet und die Kinder auf Erden bei Gott verpetzt, wenn sie ihr Abendgebet nicht sprechen wollten.
    Max, der Knabe mit den schönen Glitzeraugen und den Schuhen, die leuchten wie die von Superman, wenn er aufstampft, erfuhr in einer Vollmondnacht, dass der Mond ein Begleiter der Erde ist, der nicht selbst leuchtet und der von der Sonne Licht abbekommt, um es weiterzugeben. Weil das staunende, alte Tantchen auch ihr Scherflein zu der Unterhaltung beitragen wollte, murmelte sie: »Der Mond ist aufgegangen.« Daraufhin sprach der junge Vater die vier Worte in sein brandneues iPhone, und schon konnten wir das berühmte Gedicht von Matthias Claudius auf dem Display lesen, während Mami mit schöner Stimme für die musikalische Umrahmung der nächtlichen Lehrstunde sorgte. Da muss ein Kind ja schlau werden!
    Mir hat man noch geschworen, es sei möglich, sieben vom bösen Wolf gefressene Geißlein, Rotkäppchen und Großmutter unbeschadet aus dem Bauch des gefräßigen Untieres herauszuholen. Ich suchte jeden Morgen Feen, die in Glockenblumen logierten, und legte den Elfen zum Nachtmahl Brotkrümel hin. Von keinem dusseligen Erwachsenen hätte ich mir einreden lassen, dass die Erde rund ist. Dafür kannte ich mit sechs Jahren die Begriffe Emigration und Heimatlosigkeit; ich wusste, was Hitler tat und wie Mussolini aussah. Noch vor meinem siebten Geburtstag konnte ich das Wort Krieg in vier Sprachen sagen! Das alles galt damals nicht als ein Beweis, dass ich ein schlaues Kind war. Von Dingen zu wissen, die kein Kind je erfahren sollte, war der Fluch meiner Generation.

Prahler und was sie brauchen, um aufzufallen
    Sympathische Leute leisten sich den Luxus, sich einfach auszudrücken. Etwa wie die Märchenerzähler zur Zeit der Brüder Grimm. Der Verzicht auf Übertreibung zeugt für den Grips der altmodischen Art. Menschen mit Sprachgefühl sagen, ich bin traurig, wenn sie es sind. Sie verschonen uns mit der Mitteilung, sie müssten ihre Trauer verarbeiten.
    Zur Frankfurter Buchmesse sind Leute im Trend, die lesen und schreiben können, doch greifen sie stets nach dem guten Buch, denn nur das Verlangen nach Qualität adelt den Leser. Niveau braucht es zur Entspannung am Strand und unter der Kuscheldecke. Der Freizeitmensch muss wissen, dass nur das Spitzenprodukt derer würdig ist, die den Bildschirm kalt lassen und das Fenster ungeputzt. Wer ein gutes Buch liest (sagen wir Thomas Mann oder James Joyce), verkriecht sich nicht hinter Groschenblättern und Arztromanen. Vor so einem ziehen wir den Hut. Und erwähnen allenfalls im Nebensatz, dass wir selbst mit Hamlet zu Bett gehen und in schlaflosen Nächten zu Goethes Dichtung und Wahrheit greifen.
    Es versteht sich, dass die Feinsinnigen auch nicht die erstbeste Weinflasche an den Hals setzen. Sie trinken einen guten Wein, schlürfen ein edles Tröpfchen.
    Und haben sie doch mal Lust auf das einfache Leben, löffeln sie Kaviar zu ihren

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