Am Strand des Todes
von Pete und Miriam Shelling
und den beiden Brüdern hatte es immer wieder ähnliche
Unglücksfälle gegeben. Alle hatten sich in unmittelbarer Nähe
der Sod Beach zugetragen und immer in Nächten wie dieser,
wenn der Sturm die Wellen gegen den Strand warf… Und
immer waren die Opfer Fremde in Clark’s Harbor gewesen.
»Wie in den indianischen Legenden«, meinte Glen mit
einem abschließenden Blick auf die Karte. »Es ist fast, als ob
der Strand sie zuerst anlockt, dann die Kräfte der Natur gegen
sie aufwiegelt und sie schließlich verschlingt.«
»Hört sich fast poetisch an«, meinte Brad mit einem kleinen
Lächeln, »aber die Natur tötet ihre Feinde nicht auf diese
Weise. Hier sind andere Kräfte am Werk, und ich würde vieles
dafür geben, ihnen auf die Spur zu kommen.«
Glen schien irgend etwas zu bewegen. Schließlich sagte er
fast widerwillig: »Was ist mit Robby?«
»Robby?«
»Sie sagten, der Strand übe eine starke Wirkung auf ihn aus.
Wenn das stimmt
– könnte er dann nicht auch andere
beeinflussen?«
Brad erwiderte mit resigniertem Lächeln: »Ja, schon, aber
das hilft uns auch nicht weiter. Solange wir nicht wissen, wie
der Strand auf Robby einwirkt, erfahren wir auch nicht, wie er
andere beeinflußt. Bis jetzt habe ich keine Ahnung, wo der
gemeinsame Nenner zu suchen ist.«
Elaine erschien in der Tür. »Na, kommt ihr voran?« Auch sie
wirkte müde und erschöpft.
»Ich wünschte, wir könnten das behaupten«, antwortete
Brad, »aber bis jetzt landen wir immer wieder in der Sackgasse
– der Sturm scheint die Leute zu töten, was natürlich lächerlich
ist.«
»Was ist mit Missy? Habt ihr schon mit ihr geredet?« Die
beiden Männer blickten Elaine verständnislos an. Doch
plötzlich durchzuckte Brad eine Erinnerung – was hatte Robby
damals am Strand erklärt? »Missy behauptet, Dinge zu sehen.«
Wußte etwa auch Elaine davon?
»Was ist mit Missy?« fragte er eindringlich. Glen schien
noch immer nicht zu wissen, worüber die beiden sprachen.
Gespannt wanderte sein Blick zwischen ihnen hin und her.
Elaines Antwort ließ ihn zusammenzucken.
»Ich glaube, daß Missy gesehen hat, wie Jeff Horton ums
Leben gekommen ist«, meinte sie fast tonlos, wodurch die
Wirkung ihrer Worte aber eher noch unterstützt wurde. »Ich
habe sie nicht danach gefragt, aber sie sagte gestern abend
etwas Seltsames. Als ich ihr erklärte, daß ihr Daddy an den
Strand gegangen sei, meinte sie, das hätte er nicht tun sollen,
denn dort geschähen schlimme Dinge… Das war alles, aber ich
hatte das Gefühl, daß sich das auf Jeffs Tod bezog, daß sie
irgend etwas davon mitbekommen hat.«
Glen saß wie erstarrt, während Brad besorgt nickte. »Robby
hat mir schon vor einiger Zeit erklärt, daß seine Schwester
›Dinge‹ sehe.«
Glen fuhr hoch. »Was für Dinge?« fragte er fast hysterisch,
»was denn nur für Dinge?«
»Darüber hat er nicht gesprochen«, erwiderte Brad
beruhigend, »ich wollte sie schon immer danach fragen, aber
dann überstürzten sich die Ereignisse und…« Er brach ab.
Glen war aufgestanden und zog den Mantel über.
»Dann werden wir sie jetzt fragen. Ich geh’ und hol’
Rebecca und die Kinder her.«
Brad warf einen Blick in die Schwärze der Sturmnacht
hinaus. »Soll ich Sie nicht besser fahren? Draußen ist es mehr
als ungemütlich.«
»Nein, danke«, meinte Glen. »Ich geh’ am Strand entlang,
wird schon nicht so schlimm sein.« Er hatte den Mantel
zugeknöpft und machte die Tür auf. Der Wind knallte sie
gegen die Wand.
»Sind Sie sicher, daß Sie zu Fuß gehen wollen?«
Glen grinste ironisch. »Sie meinen, wegen gestern nacht?
Wenn man vom Pferd gestürzt ist, muß man sofort wieder
aufsteigen, heißt es doch. Wenn ich mich heute nicht an den
Strand traue, tue ich es nie mehr.«
Er zog die Tür hinter sich ins Schloß und stapfte davon.
Glen stemmte sich gegen den Wind. Seine rechte Hand
versuchte vergeblich den Kragen des Mantels so
zusammenzupressen, daß er den Regen abhielt. Die Linke
steckte zur Faust geballt in der Tasche, während sich die
Augen gegen den peitschenden Regen zu Schlitzen verengt
hatten.
Er kam nur mühsam voran, wobei er sich mit gesenktem
Kopf dicht an der Wasserlinie hielt. Doch immer wieder
schaute er auf und suchte in der Dunkelheit nach dem Schein
der Lampe in der Hütte. Eigentlich müßte er schon zu sehen
sein… Besorgt beschleunigte er seine Schritte.
Nachdem er noch einmal fast hundert Meter gegangen und
noch immer nichts zu sehen war, blieb er stehen
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