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Am Strand

Am Strand

Titel: Am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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tiefer herabzusinken und immer näher zu rücken. Und von Edwards Teller stieg ein durchdringender Geruch wie Hundeatem auf, der sich mit der Meeresbrise mischte. Vielleicht war er ja doch nicht so überglücklich, wie er es sich einredete, denn auf seinen Gedanken lastete ein schrecklicher Druck, der das Reden erschwerte. Außerdem machte ihm ein intensives körperliches Unbehagen zu schaffen - seine Hose, seine Unterwäsche fühlte sich wie eingelaufen an.
    Doch falls ein dienstbarer Geist an ihrem Tisch aufgetaucht wäre, um Edward seinen größten Wunsch zu erfüllen, hätte er trotzdem nicht nach irgendeinem Strand dieser Welt verlangt. Was er sich wünschte, wonach er sich sehnte, war, mit Florence nebenan nackt auf dem Bett zu Hegen und endlich jene fabelhafte Erfahrung zu machen, die ihm so entrückt schien wie eine Vision in religiöser Ekstase oder gar der Tod. Die Vorstellung - würde es tatsächlich geschehen? Ihm? - griff erneut mit kalten Fingern nach ihm, und es war, als wollten ihm die Sinne schwinden, was er mit einem zufriedenen Seufzer überspielte.
    Wie die meisten jungen Männer seiner Zeit - aber auch aller anderen Zeiten, denen es an Toleranz oder sexueller Freizügigkeit mangelte - gab er sich immer wieder dem hin, was von fortschrittlicher Seite als »Selbstverwöhnung« bezeichnet worden war. Edward hatte sich gefreut, als er auf diesen Ausdruck stieß. Er war 1940 geboren, also zu spät in diesem Jahrhundert, um noch zu glauben, daß er seinen Körper mißbrauchte, seine Augen darunter litten oder Gott ihm mit strengem, ungläubigem Blick zuschaute, wenn er sich täglich ans Werk machte. Oder daß ihm alle Welt sein Treiben am blassen, in sich gekehrten Aussehen anmerkte. Dennoch empfand er bei seinen Bemühungen ein deutliches Gefühl von unbestimmter Schmach, von Versagen, Vergeudung und natürlich von Einsamkeit. Die Befriedigung war dabei eher ein Nebeneffekt. Das Ziel war Entspannung - von einem drängenden, die Gedanken lähmenden Verlangen nach dem, was anders nicht zu bekommen war. Wie verblüffend schien es doch, daß eine selbstproduzierte, aus ihm hervorspritzende, löffelgroße Menge Flüssigkeit augenblicklich den Kopf frei machte, so daß er sich erfrischt wieder Nelsons entschlossenem Vorgehen in der Bucht von Aboukir zuwenden konnte.
    Edwards einziger bedeutsamer Beitrag zu den Hochzeitsvorbereitungen hatte darin bestanden, sich eine Woche lang Enthaltsamkeit aufzuerlegen. Seit seinem zwölften Lebensjahr war er nicht mehr so keusch gewesen. Er wollte für seine Braut in Hochform sein. Und es war ihm nicht leichtgefallen, vor allem nachts im Bett nicht oder morgens, wenn er aufwachte, an den langen Nachmittagen oder in den Stunden vor dem Mittagessen, nach dem Abendessen oder in der Zeit vorm Schlafengehen. Nun endlich war es soweit, sie waren verheiratet und allein. Warum schob er nicht den Teller mit Rindfleisch beiseite, bedeckte seine Frau mit Küssen und führte sie hinüber zum Himmelbett? Leider war es nicht so einfach. Der Unnahbarkeit von Florence ging bereits eine lange Geschichte voraus, und er hatte gelernt, ihre Zurückhaltung zu respektieren, ja, er hatte sie schätzen gelernt, da er sie fälschlich für Schüchternheit hielt, für einen konventionellen Schleier, hinter dem sich ihr Verlangen verbarg und der sie nur noch interessanter, noch attraktiver machte. Zumindest redete er sich das ein. Auch wenn er sich dessen nicht bewußt war, paßte ihre Befangenheit zu seiner Ahnungslosigkeit, seinem mangelndem Selbstvertrauen; eine sinnlichere, forderndere Frau, eine femme fatale, hätte ihm vermutlich angst gemacht.
    Sie hatten einander umworben wie bei einer Pavane, einem höfischen Schreittanz, von Regeln geleitet, die nicht ausgesprochen, nicht verhandelt, aber allgemein eingehalten wurden. Noch nie hatten sie über etwas Intimes geredet, und sie vermißten es auch nicht. Derartiges entzog sich allen Worten und jeglicher Definition. Therapeutengespräche waren noch nicht in Mode, die Währung eifrig ausgetauschter und gegenseitig analysierter Gefühle noch nicht im Umlauf. Zwar hatte man schon von wohlhabenden Menschen gehört, die sich einer Psychoanalyse unterzogen, doch war es noch nicht üblich, sich im alltäglichen Sprachgebrauch als ein Rätsel, als eine Faüstudie oder ein Problem zu begreifen, das nur darauf wartete, gelöst zu werden.
    Nichts, was sich zwischen Edward und Florence anbahnte, geschah schnell. Wichtige Fortschritte, wortlos erteilte

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