Am Ufer der Traeume
Westen untergetaucht war. So wird es sein, redete sie sich ein, er hat die Stadt verlassen und ist längst auf dem Weg zu mir. Vielleicht hatte er sogar eine falsche Spur gelegt und der Polizei weismachen können, dass er Amerika verlassen hatte und zurück nach Irland gesegelt war. Bryan war ein gerissener Bursche. Er würde sicher einen Weg finden, unbemerkt nach Westen zu entkommen und ein neues Leben mit ihr zu beginnen.
Sie faltete die Zeitung zusammen und wollte sie schon auf die Kommode werfen, als ihr eine Überschrift auf der letzten Seite ins Auge stach: »Pearl Diamond begeistert in Albany. Die junge Schauspielerin, die bisher unter ihrem bürgerlichen Namen Fanny Campbell ein bescheidenes Dasein in einer kleinen Mietwohnung in New York fristete, spielte sich innerhalb weniger Tage in die Garde der gefragtesten Schauspielerinnen des Landes. Obwohl sie in dem Melodram ›Die Versuchung des Mister Raleigh‹ nur eine unbedeutende Nebenrolle hat, reißen sich die Talentsucher bereits um sie. George Dillard, ihr Agent und zukünftiger Ehemann, gab vorzeitig bekannt, dass sie im kommenden Herbst eine Hauptrolle im Federal Street Theater von Boston übernehmen wird, wahrscheinlich im Melodram eines bekannten Autors.«
Molly blickte ungläubig auf den Artikel. Sie las ihn noch einmal, wollte ganz sichergehen, dass sie sich nicht verlesen hatte, und grinste zufrieden in sich hinein. »Nicht zu fassen!«, staunte sie. »Sie hat es tatsächlich geschafft! Aus Fanny Campbell ist die berühmte Pearl Diamond geworden! Und ich dachte, sie würde einem Hirngespinst hinterherlaufen. Dabei hat sie wirklich Talent! Ich nehme alles zurück, Schwesterchen! Du hast wirklich Talent, sonst dürftest du in Boston keine Hauptrolle spielen. Und einen einflussreichen Mann hast du dir auch geschnappt. Wenn das so weitergeht, wirst du in ganz Amerika ein großer Star!«
Sie warf die Zeitung aufs Bett und trat ans Fenster, schob es ein Stück nach oben und blickte auf die belebte Plaza hi-naus. »Und ich sitze hier und weiß nicht einmal, was morgen sein wird«, flüsterte sie. Obwohl sie fest daran glaubte, dass Bryan sie liebte und auf jeden Fall nach Westen aufbrechen würde, sobald sich die Gelegenheit dazu ergab, war sie keinesfalls mehr sicher, dass er tatsächlich kommen würde. Nicht nur die Polizei versuchte, ihn daran zu hindern. Auf dem Weg nach Westen gab es eine Vielzahl von Gefahren, die selbst einen mutigen Mann aufhalten konnten, das hatte sie selbst erfahren. Heftige Gewitter, die tödliche Blitze vom Himmel schickten. Wirbelstürme und Insektenplagen. Krankheiten wie die Cholera und das Schwarze Fieber, die auch in Irland vielen Menschen zum Verhängnis geworden waren. Reißende Flüsse, ein zerbrochenes Rad am Wagen, Banditen und nicht zuletzt die Comanchen, die auch Mitch Miller getötet hatten.
Sie verließ das Hotel und versuchte, sich auf einem Rundgang durch die Stadt abzulenken. Auf der belebten Plaza wirkte Santa Fe wie eine geschäftige Metropole, dort versammelten sich die fliegenden Händler, vor allem Indianer aus den umliegenden Pueblos, zum täglichen Markt, dort lagen die wichtigsten Handelsposten, das Hotel und nicht weit davon entfernt der Palace of the Governors, der frühere Regierungssitz des Gouverneurs von Nuevo Mexico und seit dem gewonnenen Krieg gegen Mexiko das erste Kapitol des Territoriums von New Mexico. In den Außenbezirken war Santa Fe ein Dorf, eine Ansammlung von flachen Häusern aus Adobe-Lehm, schlampiger gebaut und nicht so sauber wie die Gebäude rings um die Plaza, und staubigen Gassen, die von spielenden Kindern und einer Vielzahl von Hunden, Katzen, Gänsen, Hühnern und sogar Kühen und Schafen bevölkert waren. Einige Kinder folgten ihr auf ihrem Rundgang, zupften an ihrem Kleid und riefen ihr etwas auf Spanisch zu, das sie nicht verstand. Sie war froh, als sie wieder das Hotel erreichte.
An einem der nächsten Tage klopfte Joaquin Ramirez an ihre Tür. Er hatte die Waren und den Planwagen zu den gewünschten Preisen verkauft und trug ihren Lohn in einer Ledertasche bei sich. »Das Geld für Señor Bradley habe ich bereits einem Boten nach St. Louis mitgegeben«, sagte er, nachdem er sie begrüßt hatte. »Und Ihren Lohn zahlen Sie am besten gleich auf ein Konto ein. Die Santa Fe Bank gegenüber ist der verlässlichste Geschäftspartner in dieser Stadt.« Er gab ihr die Ledertasche. »Ich nehme an, es ist ganz im Sinne von Señor Bradley, den Lohn Ihnen zu geben. Ohne
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