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Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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und zog ihren Mantel aus. Sie war entsetzt und wütend zugleich, aber auch überrascht, wie wenig Skrupel ihre Schwester im Umgang mit Männern zeigte. »Wie kannst du so etwas tun, Fanny? Hat er dich etwa ... bezahlt?«
    Fanny suchte nach den richtigen Worten. »Er hat mich zum Essen eingeladen ... in ein Restaurant am Broadway. Und er hat mir ein Trinkgeld gegeben, weil ich so schön getanzt habe.« Ihre Miene hellte sich auf. »Ich bin eine gute Tänzerin, Molly, und einige Gentlemen haben mir sogar gesagt, dass ich schauspielerisches Talent hätte. Vielleicht spiele ich mal am Park Theater am Broadway oder im Castle Garden.« Ihre Augen leuchteten wieder. »Oder man lädt mich nach San Francisco ein. Die schönste Stadt der Welt, das weiß ich von einem Gentleman, der während des Goldrauschs in Kalifornien reich geworden ist. Du kannst dich doch an den Goldrausch vor vier Jahren erinnern? Ich werde mich Pearl nennen. Die meisten Künstler legen sich neue Namen zu, weißt du? Pearl Diamond. Was meinst du? Klingt das nicht wundervoll?«
    »Du bist verrückt, Fanny.« Molly setzte sich an den Holztisch und musterte sie ernst. »Nur weil du in einem ... einem Lokal tanzt, wirst du doch nicht Schauspielerin. Du hast doch überhaupt keine Erfahrung! Auch wenn du inzwischen Lesen und Schreiben gelernt hast, und selbst wenn du Talent hättest ... du weißt doch, wie die Amerikaner zu uns Iren stehen. Wir sind beinahe so schlimm wie die Neger. Meinst du, sie jubeln einer Irin zu?«
    »Die jubeln jedem zu, der was kann und gut aussieht. Sieh dir Jenny Lind an, die kommt aus Schweden und hatte nur ausverkaufte Konzerte.« Sie wischte einige Haarsträhnen aus ihrem Gesicht. »Ich hab Talent, Molly! Das weiß ich! Ich kann tanzen und schauspielern und sogar ein bisschen singen.«
    »Und du meinst, du brauchst nur beim Park Theater vorzusprechen und bekommst eine Rolle. Meinst du wirklich, die nehmen eine Frau wie dich?«
    Fanny wirkte beinahe trotzig. »Das wirst du sehen! Sobald ich einen reichen Mann, der von meinem Talent überzeugt ist, kennengelernt habe, lege ich los. Jenny Lind hatte auch einen Förderer, ohne einen einflussreichen Mann schaffst du es nicht.« Sie malte einen schwungvollen Bogen in die Luft und strahlte zuversichtlich. »Ich sehe schon die Plakate ... Pearl Diamond, der neue Star am Theater-Himmel ... sehen Sie die einzigartige, wundervolle ...«
    »Such dir lieber anständige Arbeit«, stoppte Molly den Redefluss ihrer Schwester. »Und bring gefälligst keine ... keine Gentlemen mehr nach Hause!«
    »Woher sollte ich denn wissen, dass du heute früher nach Hause kommst?« Fanny war gerade dabei, ihre langen Haare zu einem Knoten zu binden, und hielt mitten in der Bewegung inne. »Haben sie dich etwa rausgeworfen?«
    »Ich habe gekündigt!«
    »Wie bitte? Bist du verrückt?«
    Molly berichtete ihr in wenigen Worten, was geschehen war. »Ich bringe es einfach nicht übers Herz, die Näherinnen wie Sklavinnen anzutreiben und ihnen unsinnige Strafen aufzubrummen. Ich hab keine Lust, die Komplizin dieses Ausbeuters zu werden. Der behandelt seine Angestellten wie den letzten Dreck! Nur mit den armen Negersklaven im Süden springen sie noch schlimmer um! Ich bin nicht hierhergekommen, um mich schon wieder unterdrücken zu lassen. Da hätte ich auch bei den Engländern bleiben können.«
    »Und von was willst du leben?«
    »Ich suche mir was Neues!« Molly blickte längst wieder nach vorn. »New York ist groß. Irgendwo gibt es bestimmt Arbeit für eine junge Irin. Nicht alle New Yorker haben was gegen uns. Ich könnte als Hausmädchen arbeiten.«
    »Oder als Wäscherin oder Bedienung.« Fanny schüttelte den Kopf. »So kommst du nie zu was, Molly. Oder meinst du, Mister Silverstein ist der einzige Ausbeuter in New York? Die sind doch alle gleich. Wenn du was werden willst, musst du die Männer bei ihren Schwächen packen. Mach ihnen schöne Augen und geh ihnen so lange um den Bart, bis sie dir aus der Hand fressen, dann bekommst du alles von ihnen. Oder willst du ewig in einem Hinterzimmer arbeiten? Und jetzt erzähl mir bloß nicht, dass du immer noch auf Bryan wartest ...«
    »Tue ich aber«, erwiderte Molly trotzig. »Ich weiß, dass er mich nicht im Stich lässt. Irgendetwas muss damals passiert sein, dass er mich allein lassen musste und sich bisher nicht melden konnte. Aber er kommt.«
    »Nach fünf Jahren?«
    »Ich würde auch zehn Jahre auf ihn warten.«
    Fanny schüttelte den Kopf. »Ich sag ja, du

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