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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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üblich?«, wandte Gustav vorsichtig ein.
    »Zu dieser Zeit nicht mehr«, erklärte Sarah. »Die Ptolemäer waren die Nachfolger Alexanders in Ägypten, folglich war ihr Weltbild griechisch geprägt, und die Griechen verabscheuten jede Form von Inzest. Andererseits starb Arsinoë bereits viele Jahre vor Ptolemaios. Welchen Grund sollte sie gehabt haben, ihm über ihren Tod hinaus so etwas anzutun?«
    »Wie ich schon sagte – die Seele des Menschen birgt manche Abgründe.«
    »Rabbi«, sagte Sarah, und musste dabei alle Macht aufwenden, um sich zur Ruhe zu zwingen, »versuchen Sie, mir mit alldem zu sagen, dass Sie … dass Sie sich im Besitz jenes lebensspendenden Elixiers befinden? Dass Sie deswegen so von der Existenz des Golems überzeugt sind, weil Sie selbst es waren, der ihn ins Leben zurückgeholt hat?«
    »Lady Kincaid«, erwiderte der Rabbiner mit feucht glänzenden Augen, »ich wünschte von Herzen, es wäre so. Wäre mir die Macht meines berühmten Vorgängers gegeben, so könnte ich etwas zum Wohl meines Volkes beitragen, statt zur Untätigkeit verdammt zu sein. Denn wie schon vor mehr als dreihundert Jahren sind die Söhne Israels in diesen Tagen erneut in Bedrängnis. Das Viertel soll abgerissen und dem Erdboden gleichgemacht werden …«
    »Ich habe davon gehört«, bestätigte Sarah.
    »Zu gerne wäre ich deshalb der, der das Geheimnis entschlüsselt und den alten Beschützer unseres Volkes zurückgebracht hat, Lady Kincaid – aber ich bin es nicht. An Glauben und Entschlossenheit mangelt es mir nicht, aber ich entbehre das geheimnisvolle Wasser. Der letzte Rest, der sich im Besitz unserer Gemeinde befand, wurde vor etwa neunzehn Jahren aus unserem Besitz gestohlen.«
    »Es wurde gestohlen?«
    »Allerdings – nachdem es sich genau dreihundert Jahre lang in unserem Besitz befunden hatte, von dem Tag an, da Judah Löw die Kreatur aus Lehm ins Leben rief.«
    »Dreihundert Jahre?« Sarah begann zu rechnen – und kam, indem sie die Zahl 319 vom aktuellen Jahr 1884 abzog, auf 1565 … »Ich hatte angenommen, das Jahr des Golems wäre 1580 gewesen«, wandte sie ein.
    »Was bringt Sie darauf?«
    »Nun, ausgehend von den Ereignissen, die zur Erschaffung des Golems führten, kann man darauf schließen, dass sie sich im Adar 5340 zutrugen, nach unserer Zeitrechnung im März 1580 …«
    Oppenheim lachte leise. »Erwarten Sie, dass die Autoren Ihrer Bücher die ganze Wahrheit kennen? Dass sie in den Geheimnissen der Kabbalistik bewandert sind? Der Buchstabenmystik? Des Sephiroth?«
    »Nein«, räumte Sarah ein, »das wohl nicht. Aber eine Abweichung um ganze fünfzehn Jahre …«
    »Für den Gott Jakobs nur ein Augenzwinkern«, gab der Rabbiner zu bedenken. »Es gibt viele Geschichten, die sich um die Entstehung, die Taten und das Vergehen des Golems ranken, Lady Kincaid – die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Es ist wahr, dass der Golem im Jahr 1580 erstmals in Erscheinung trat – geformt wurde die Kreatur jedoch schon viele Jahre zuvor, verborgen vor den Augen der Welt.«
    »I-ich verstehe«, erwiderte Sarah zögernd. »Und Sie sind sich wirklich ganz sicher, was das Jahr 1565 betrifft?«
    »Warum fragen Sie das?«
    »Weil dieses Jahr noch aus einem anderen Grund von Wichtigkeit ist«, erläuterte Sarah bereitwillig.
    »Tatsächlich? Was ist damals geschehen?«
    »Im Jahr 1565 unternahm der osmanische Heerführer Dragut Rais den Versuch, mit einer Kriegsflotte in den westlichen Mittelmeerraum vorzustoßen und die Insel Malta zu erobern. Malta befand sich zur damaligen Zeit im Besitz der Ritter des Johanniterordens, die sich Rais erbittert zur Wehr setzten und denen es schließlich gelang, die Invasion zurückzuschlagen.«
    »Und?«, fragte der Rabbiner.
    »Soviel zum offiziellen Teil der Geschichte – nun liegt es an Ihnen, der mündlichen Überlieferung zu folgen.«
    »Nur zu.«
    »Nur wenige wissen«, fuhr Sarah fort, »dass sich ein uraltes Artefakt aus antiker Zeit im Besitz von Dragut Rais befand, ein so genannter Codicubus.«
    »Ein was?«, fragte Gustav, der dem Gespräch verwundert beiwohnte und nicht zu wissen schien, was er von alldem halten sollte.
    »Ein würfelförmiges Behältnis aus Metall, das dazu vorgesehen ist, geheime Botschaften und Informationen über Jahrhunderte hinweg zu bewahren«, erklärte Sarah. »Angeblich soll es einst Alexander dem Großen gehört haben.«
    »Interessant«, erkannte Oppenheim an. »Woher wissen Sie das alles?«
    »Ich weiß es, weil ich diesen Codicubus

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