Am Ufer (German Edition)
Fleisch, das nicht aus ihren Schlachthöfen kam, diese blöden Marokkis, haben so viel hungern müssen, und jetzt werden sie empfindlich: Wenn es nicht halal ist, kann ich es nicht essen. Tiere, die mit dem Blick nach Mekka geköpft werden, geschächtet und ausgeblutet. Die geben sich nicht mit Kleinigkeiten ab, nichts von wegen dem Huhn oder dem Kaninchen einen Schlag auf den Kopf oder dem Lamm einen Keulenhieb geben, und natürlich keinerlei Euthanasie mit Elektroschock, nicht einmal erdrosseln ist erlaubt: Ihr Ding ist das Köpfen, und während sie die Kehle durchschneiden, beten sie zu Gott. Auch den islamischen Terroristen ist Köpfen das Allerliebste. Die Maschinenpistolen, die Sprengkörper benutzen sie als Surrogat, der Effektivität wegen, es geht aber nichts über einen sauberen Schnitt in die Kehle und Blut, das sich auf dem Boden ausbreitet. Semitische Genetik: Jahwe verlangt von Abraham, dass er seinen Sohn Isaak köpft, der tauscht dann den Sohn gegen ein Lamm aus, das, armes Tierchen, passenderweise gerade vorbeikommt. Es geht darum, Hälse abzuschneiden, das Blut soll strömen und die Erde nässen. Über dem Bett feuchten Grases knacken die trockenen Zweige im Feuer, in der Hitze schmurgelt das Fett des Lamms, das ein beschnittener Schlachter mit Blick nach Mekka hat ausbluten lassen. Der Geruch von verbranntem Talg und Holz mischt sich mit dem süßlichen Atem des Sumpfs. Mit mir trank Ahmed durchaus (der Wein und das Bier der Nasara ist ihm nicht sowiderwärtig wie das falsch geschlachtete Fleisch), wir hatten immer ein paar Büchsen Bier in der Kühlbox.
Álvaro hätte derjenige sein müssen, der am besten verstand, was geschehen war. Er war Teil der Firma, wie ich selbst es bin (er, der für meinen Vater wie ein Sohn war, ein Sohn, den er von seinem besten Freund geerbt hatte) oder gewesen bin, er kann nicht darüber klagen, dass ein Glied stirbt, wenn der Körper tot ist. Für ihn hat die Firma am selben Tag wie für mich aufgehört zu existieren, er hat sie keinen Tag weniger gehabt, ich habe da kein Privileg beansprucht. Derselbe Tag für den Sohn des Schreiners und für ihn, der wie ein Sohn war, dieselbe Stunde. Ich bin nicht über Bord gesprungen und losgeschwommen, um eine Minute vor ihm den Strand zu erreichen. An Deck bis zum letzten Augenblick, ich gehe mit ihnen unter. Wenn die Firma abstürzt, stürzt auch du. Ich stürze ab, und Álvaro stürzt ab. Wir stürzen alle. So ist es nun mal. Die anderen, die frisch Eingestellten – von Joaquín mal abgesehen, der ist eine Nummer für sich, aber auch ein komischer Heiliger, rätselhaft, man weiß nicht, was hinter seinem ewigen Lächeln steckt –, das waren die Vögel, die dem kleinen Elefanten die Flöhe wegpickten, trotz der Ängste, die bei Álvaro aufkamen, als er Jorges Fähigkeiten entdeckte. Die Firma, das waren mein Vater, Álvaro und ich. Oder etwa nicht? Wir beuten niemanden aus, wir arbeiten, wir erledigen unsere Arbeit – war es nicht so, mein Freund? Unwichtig, dass Álvaros Kinder erwachsen sind, er schon einige Enkel hat und eine abbezahlte Wohnung. Den Wohnwagen zu verlieren ist ja nun nicht ganz so schlimm. Sie sollen weiter das Auto benutzen, das sie die ganze Zeit gefahren haben. Einen Renault Laguna, der sieben oder acht Jahre alt sein dürfte und den er anscheinend deshalb gekauft hat, weil in den Zeitschriften stand, das sei das sicherste Auto, Sicherheit, das ist sein Ding. Sieht gar nicht schlecht aus. Ein höchst anständiges Fahrzeug. Wenn er es gepflegt hat – und ich weiß, dass er sich mehr darum kümmert als um seine Frau, er sieht es durch, betrachtet es, säubert es, fummelt an ihm rum –, dannkann es noch gut zehn Jahre halten. Und seine Frau hat, glaube ich, auch ein Auto, muss eins haben, um zur Arbeit zu fahren. Und ihm stehen noch zwei Jahre Arbeitslosengeld zu. Da ist doch Hoffnung. Zwei Jahre. Viele würden jeden Pakt unterschreiben, um sich diese Zeit auf Erden zu sichern. Außerdem hat die Frau viele Jahre lang im Mercadona gearbeitet, und das ist in den heutigen Zeiten die sicherste Arbeitsadresse, und auch wenn sie seit einigen Monaten nicht mehr arbeitet wegen einer Depression oder weil sie wegen einer Kardiopathie deprimiert ist, eine dieser sonderbaren Krankheiten, die man neuerdings diagnostiziert, ihre Invalidenrente kassiert sie doch. Ich weiß schon, es geht um etwas anderes, natürlich weiß ich das, aber wenn sie beide ohne Arbeit dastehen, so gilt das ebenso für mich, und zwar unter
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