Am Ufer (German Edition)
sehr die Gespräche mit meinem Vater, mit meinem Freund Álvaro, die beiden sind sie losgeworden, Álvaro haben sie im Gefängnis zugrunde gerichtet, mich auch, aber ich hatte, wer weiß, ob das Glück war, ich hatte jedenfalls eine bessere Gesundheit als er; er kam verbittert und krank heraus und hat nicht mehr lange durchgehalten. Ich habe gelernt, mit der Bitternis zu leben, und verhindert, dass sie mir an die Gesundheit geht. Nun gut, ich bin von einem anderen Planeten. Aber das habe ich mir ausgesucht. Das, was sie mir auszusuchen erlaubt haben.
Bildhauerarbeit in Stein hielt ich für etwas Höheres, es schüchterte mich ein, machte mir Angst. Die Kunst der Großen, dazu fühlte ich mich nicht befähigt. Holz ja, ich war seit Kindesbeinen damit zu Hause umgegangen, aber Stein, das war etwas anderes. Ich sagte dem Lehrer, dass ich das, was er mir vorgab, nicht lernen wollte. Ich fühlte mich nicht dazu berufen. Es kam mir nicht einmal in den Sinn. Der Lehrer machte sich über mich lustig, erklärte mir, dass der Schein meistens trügt: Beim Stein hast du das Sagen, du nimmst den Block, den Stichel, den Meißel, misst ab, entwirfst, arbeitest mit aller Geduld, kratzt, schabst, säuberst. Der Stein ist eine kompakte Masse, die du entzweischlagen kannst, die du mit eigener Kraft und dem geeigneten Werkzeug durchlöchern kannst. Es gibt kein Filigran, das die Bildhauer nicht aus dem Stein gearbeitet hätten. Bei den Statuen von Bernini wird der Stein bei den weiblichen Figuren weiches Fleisch, in das sich die starken Hände des Mannes versenken. Wie beim Holz ist auch beim Stein das Entscheidende, ihn kennenzulernen, ihn auszuwählen, seine Dichte zu wissen, seine Eigenschaften, sein späteres Verhalten, selbst wenn wir das nie bestimmt voraussagen können. Mein Lehrer hatte recht. Beim Holz kommt es darauf an, es richtig zu lagern, es genauzum richtigen Zeitpunkt des Trocknungsprozesses zu bearbeiten, der Maserung zu gehorchen, obwohl ich gar nicht weiß, ob die Bildhauer heutzutage noch auf diese Dinge achten. Klar, wir Schreiner arbeiten jetzt mit Hölzern, deren Werdegang wir nicht kennen. Es gibt sehr harte Steine, die schwierig zu bearbeiten sind – sagte mein Lehrer – und die jede Statue zur Ewigkeit zu verdammen scheinen, nach kurzer Zeit jedoch zerfällt sie durch Wassereinwirkung oder Temperaturschwankungen, oder aber sie ist anfällig für Pilze und Bakterien. Andere Steine, wie die in Salamanca, die ihr auf unserer Fahrt gesehen habt, werden, so der Lehrer, bei Wind und Wetter noch härter. Salamanca war das Ziel unserer einzigen Studienfahrt zu Zeiten der Republik, dank eines Stipendiums, das eine schwedische oder holländische Stiftung einigen Schülern bewilligt hatte. Nie habe ich dieses großartige Freilichtmuseum der Skulpturen vergessen, Steine, die Wind und Wetter ertragen: San Esteban, die Kathedrale, die Fassade der Universität, der Hof von Las Dueñas. Diese außerordentlichen Figuren, die ganze Fassaden bedecken, der Stein von einer wunderbaren Farbe, der sich mit dem Tageslicht verändert, verblichen am Morgen und am Abend kräftiges Kupfer und Gold. Fast fünfhundert Jahre nachdem die Fassaden bearbeitet wurden, halten sie sich dank der Steinqualität der sogenannten Steinbrüche von Villamayor, aus denen ein Fels geschlagen wird, der erst leicht zu schneiden ist, im Laufe der Zeit aber unter Einfluss von Wind und Wetter so etwas wie eine Schicht entwickelt, die, statt ihn anzugreifen und aufzulösen, wie es bei anderen Sandsteinen der Fall ist, ihn schützt und sogar noch härtet. Dreißig Jahre sind vergangen, seitdem ich Salamanca sah, doch wenn ich die Augen schließe, glaube ich, mir die Stadt immer noch im Gedächtnis vergegenwär tigen zu können.
»Und dann gibt es da noch diese imposanten Gussarbeiten, aus Bronze, aus Eisen, die uns so sehr in Staunen versetzen«, fuhr der Lehrer fort.
In der Schule zeigten sie uns die Werke von Benlliure, und Neid zerfraß mich, er war noch der angesagte Bildhauer, auch wenn er dem König Statuen aufgestellt hatte. Bis dahin hatte ich selbst nicht viel mehrgemacht, als es die Hirten tun, die sich in jedem Winkel der Welt die Zeit damit vertreiben, die Knäufe ihrer Stöcke zu verzieren, ich hatte in der Schreinerei gearbeitet, und mein Vater hatte mir einiges gezeigt, aber das hier war Kunst. Meine größte Überraschung war allerdings, als wir ein Altarbild von Froment, das in der Kunstakademie verwahrt wurde, besichtigten; an dem Tag wurde
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