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Am Ufer (German Edition)

Am Ufer (German Edition)

Titel: Am Ufer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Chirbes
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Stupsnäschen zu sehen oder sein pomadisiertes Toupet. Manchmal klinke ich mich selbst in solche Chats ein und gebe mich als ein anderer aus, Anwalt (36), 1,82, 78 kg, morbide; Architekt, Junggeselle, 40 Jahre alt, sucht Sex; gelegentlich spiele ich auch eine Frau und flirte mit vier Blödmännern herum, die versichern,dass ich sie ganz geil mache, sie könnten sich sogar in mich verlieben. Und so stößt man erneut auf ihre Botschaften, sobald man die Adresse öffnet, selbst noch nach Monaten. Sie vermissen dich. Ich weiß schon, dass du nichts von mir willst, klagen sie. Ich stelle mir vor, dass sie leiden, und das haben sie verdient. Wenn du diejenigen nicht wirklich kennst, mit denen du seit Jahrzehnten zusammenlebst, wie sollst du dann jemandem vertrauen, der sich hinter einem Schirm versteckt. Es läuft mehr oder weniger ähnlich ab: Angesichts dessen, was du über deine Titten und deinen Arsch erzählst, weiß ich, dass du mir gefallen wirst; außerdem spüre ich jedes Mal, wenn eine Nachricht von dir kommt, eine seltsame Nähe: zwei Wesen, die sich verstehen, verwandte Seelen. Ich schick dir zwei Fotos von meiner Rute, auf dem einen sieht man sie geschrumpft, nicht schlecht, was sagst du? Die Eichel schaut ein wenig aus der Vorhaut, als Kind wurde ich wegen einer Phimose operiert, und man hat mir das Vorhautbändchen und etwas Haut weggeschnitten; hast du Lust, meinen Pimmel so zu lecken? Auf dem anderen ist er steif. Ganz ordentlich, was? Magst du ihn? Diese dicke, glänzende Eichel sucht nach deiner Tür. Wird sie ihr geöffnet? Oder muss sie die mit einem Stoß aufbrechen? Mein Schwanz kommt bis zum Schaft herein. Ich möchte, dass du ihn tief drinnen spürst. Von meinem Arsch schicke ich kein Foto, weil ich nicht weiß, wie ich den mit dem Handy aufnehmen soll. Ich müsste jemand darum bitten, ihn zu knipsen, doch wen? Er ist jedenfalls fest und sitzt hoch. Die Brust, du siehst ja, alles Muskeln, eine Tafel Schokolade. Wenn du mir ein Foto von deinem Gesicht schickst, schicke ich dir eins von meinem. Und kann ich dann auch erfahren, wo du wohnst? Du sagst, hier in dieser Provinz, aber nicht, ob in der Hauptstadt oder in einem Dorf. Warum willst du mir nicht den Namen des Orts verraten? Warum so geheimnistuerisch, vertraust du mir nicht? Am Ende kommt heraus, dass du meine Nachbarin bist. Das ist die Kommunikationsmechanik. Mit Varianten: Wenn du dich statt als muskulöse Männerbrust in den besten Jahren alsjunges Mädchen präsentierst, eine Halbwüchsige mit Zitronenbrüstchen, beginnt im Chat ein Gesurr reifer Ehemänner und lauernder Päderasten. Na, wie jung bist du denn, sicher machst du dich jünger, du bist doch älter als neunzehn, Vierzehnjährige sprechen nicht so wie du, oder vielleicht bist du einfach arg frühreif. Hast du dir schon einen ordentlichen Schwanz reingesteckt, oder ist deine kleine Möse noch verschlossen? Dir hat man sicher schon alle Löcher genagelt, du Sau. So was, eine vierzehnjährige Schlampe. Kaum zu glauben. Soll ich dir ein Foto von meinem Pflaumen baum schicken, kleine Nutte? So ein Ding hast du sicher noch nicht gesehen (und den unmäßigen Pflaumenbaum holen sie sich dann aus einer der schweinischen Websites). Falls man sich aber als reife Frau ausgibt, gehen die Anträge der erregten Jüngelchen ein, die Zugang zu der, wie sie meinen, Weisheit einer fernen Zukunft suchen. Der Fetisch Erfahrung. Wenn man mich fragt, hat das alles wenig mit Liebe zu tun, auch wenig mit Sex. Das ist reines Blabla. Wenn du ficken willst, suchst du dir das, worauf du Bock hast, eine Nutte oder, wenn du auf Männer stehst, eben einen Kerl, aber du verbringst nicht den Tag damit, dich mit kleinen Botschaften aufzugeilen. Und das mit der Liebe, oder wie immer man es nennt, ist etwas ganz anderes: Solange wir das nicht im Alltag schaffen, einander allmählich kennenzulernen, Tag für Tag und über Jahre hinweg, wie soll das dann auf einen Schlag bei dem Mösenfoto funktionieren, wenn du gerade beim Frühstück den Milchkaffee schluckst. Sex beiseite, schau dir doch an, ich verbringe bereits 67 oder 68 Jahre mit meinem Vater (seitdem er aus dem Gefängnis entlassen wurde) und habe ihn immer noch nicht lieben gelernt. Die meiste Zeit über habe ich gewünscht, ihn aus den Augen zu verlieren, nur manchmal habe ich geglaubt, ihn zu verstehen, und die Momente, in denen es zu einer gewissen Verbundenheit kam, sind gezählt: Ich war nicht der Sohn, den er gern gehabt hätte, und kaum je habe ich

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