Am Ufer (German Edition)
für ihren Stolz bezahlt, eine äußerst kostspielige und altmodische Ware. Im Übrigen ist auf dem Wege auch noch irgendeine andere Liegenschaft zwischen den Falten der Soutanen verloren gegangen. Wie in vielen Häusern wurden die Testamente hier nicht von Notaren, sondern von Priestern aufgesetzt, und ein Teil jenes Besitzes gehörte einer frömmelnden Tante, die ihn der Kirche vermachte, so stellte sich die Güterverteilung als ziemlich ruinös für die Familie dar, religiöse Vorurteile, menschliche Vorurteile, eine Beziehung des Geldes zum Transzendenten erweist sich stets als hinderlich. Nun gut, Kleinkram bei alten Familien, die schon seit Jahrzehnten im Absterben begriffen sind. Francisco hat mich dorthin mitgenommen, um mir das Haus mit all diesen Handwerksarbeiten, die heute keiner mehr macht, und die laufenden Restaurationsarbeiten zu zeigen. Das Haus kannte ich, ich war ein paar Mal dort, um kleine Reparaturen mit meinem Vater zu erledigen, es ging um einen Wandschrank in der Küche und um Wäscheschränke im Bügelzimmer, und es war schon endlos her. Geradezu furchtsam hatte der Vater auf jene Möbel im Dienstbotenbereich geschaut. Er zitterte förmlich, führte die Arbeit nur zögernd aus, hatte Angst, irgendeinen Fehler zu begehen, und das bei einem Auftrag, der zweifellos der wichtigste war, den er bisher bekommen hatte. Beziehungsweise der, den er von dem wichtigsten Auftraggeber, dem Vater der Civeras, bekommen hatte. Beides. Selbst imDienstbotenbereich atmete alles, was uns umgab, Noblesse. Die Küchenschränke und die der Speisekammer waren aus Lindenholz, und die in der Küche waren mit geometrischen Schnitzereien verziert. Er sollte ein paar einfache Türen unter dem Waschbecken reparieren sowie die eines Wandschranks und einige der Wäscheschränke mit Blumenmuster im Bügelzimmer renovieren. Es waren für ihn keine Routinearbeiten, und was die Schränke anging, erforderten sie bestimmte Fähigkeiten. Arbeit für einen Kunsttischler. Er war aber beunruhigt. Obwohl er es vor mir verbergen wollte, nahm ich doch seine Nervosität wahr. Bei unserer Ankunft, als uns ein Dienstmädchen in den hinteren Teil des Hauses führte, zeigte er mir auf dem Weg, indem er das Kinn hob, die Verglasungen, die Verzierungen an den Geländern, die feinen Arbeiten an dem eichernen Handlauf, die geschnitzten Kopfstützen, aber auch die filigranen Schmiedeeisegitter, die Balkone, die Arbeit aus buntem Glas und Eisen am Erker. Er hatte feuchte Augen. Nach der Mittagspause dann bat er mich, ihn nicht wieder zu begleiten: Du störst doch nur, sagte er, aber ich wusste, ich sollte nicht seine Unfähigkeit oder seine Angst vor der eigenen Unfähigkeit bemerken. Das entsprach nicht dem, was er mir erzählt hatte, es schienen nicht jene Hände zu sein, die befähigt waren, den Tisch im Büro zu schnitzen mit seinen Medaillons, den menschlichen Figuren, den Grotesken, nicht die Geschicklichkeit desjenigen, der Bildhauer hatte werden wollen.
Ein halbes Jahrhundert später habe ich dieses Haus wiedergesehen: Ich ging durch den Salon, die Küche, die Schlafzimmer, erinnerte mich an manches, an anderes nicht, erkannte einiges wieder, sah anderes zum ersten Mal, da wir damals nur den Bereich des Hauses betreten hatten, wo wir arbeiten sollten, und die Durchgangszimmer und Flure, die dahin führten. Zwei Schreinern, oder einem Schreiner und seinem Helfer, zeigt man nicht das Haus, man macht nicht die Runde, die man mit Gästen zu machen pflegt. Man sagt ihnen, das hier ist in dem und dem Zustand und ich möchte esgerne so und so haben. Bei diesem Besuch jetzt bat mich Francisco um meine Meinung zur Restaurierung, die gerade durchgeführt wurde, erklärte mir, dass es sich um Stücke handele, die sich heute keiner mehr leisten könne, Museumsstücke, großartig. Er lud mich ein, die Kanten der Tische und Kredenzen zu streicheln, Türen und Schubladen zu öffnen, damit ich mich von der perfekten Verarbeitung überzeugen konnte, von der Präzision der Montage, das sind Möbel, die hundert Jahre auf dem Buckel haben, wiederholte er, Türen, die genau schlossen, und Schubladen, die ein Jahrhundert nach ihrer Herstellung mühelos auf- und zuglitten. Er hatte den einzigen Restaurator und Kunsttischler ausfindig gemacht, den es in unserer Gegend noch gibt: Er arbeitet mit schonenden Naturölen, er rekonstruiert wunder sam all das, was beschädigt, verfault, gesprungen, zerfressen oder kaputt ist, ich habe Arbeiten von ihm gesehen, die man
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