Am Ufer (German Edition)
nur bewundern kann, Kassettendecken aus dem 15. Jahrhundert in einem Palast in Valencia, Vertikos aus der Renaissance. Hier hat er, wie du siehst, wahre Wunder gewirkt, dabei hat sich das, was im Haus ist, im Allgemeinen prächtig konserviert, es ging nur darum, es zu säubern und so zu behandeln, dass die Hölzer optimal geschützt sind, du musst diesen Mann kennenlernen, obwohl er nicht hier in Olba wohnt, hier gibt es keinen mehr, der solche Arbeiten macht, dieser hier wird nicht nur aus Valencia und Barcelona angefordert, sondern auch aus Paris und sogar aus Italien, wo es die Besten in diesem Beruf gibt, dabei sagt der Mann, er habe keine große Lust zu reisen: Ich reise nur, weil ich mich gerne solchen Herausforderungen stelle. Er ist ein ganzes Stück älter als wir. Um die achtzig, schätze ich, aber er hält sich wie ein Jüngling. Und denkt nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen. Er zeigt mir seine Hände, sie zittern nicht. Hager, nichts als Muskel, der am Knochen klebt, und dennoch schultert er eine Holzbohle, die ich wohl kaum stemmen könnte. Er sagt: Ich arbeite mit Hölzern, die drei Mal so alt sind wie ich, und die gehen immer noch ihrer Aufgabe nach, nehmen Wäsche oder Geschirr auf, tragen Dächer, dreihundert Jahresind sie alt und erfüllen immer noch ihre Pflicht, warum sollte ich mit achtzig in Pension gehen, wo doch meine Materialien dreihundert Jahre aushalten? Ich verwahre mich dagegen, dass sie überlegen auf mich herabschauen, sich besser dünken als ich. Er lacht und trinkt einen Schluck Wein, ein Gläschen zum späten Frühstück, eins zum Mittagessen, eines zum Abendessen. Das hat noch nie jemandem geschadet. Und nach dem Abendessen ein Schlückchen Cognac.
Ich konnte ihm nicht übelnehmen, dass er diesen Mann angeheuert hatte. Es war nur logisch, den Besten zu wählen, jemanden, der auf der Höhe dessen stand, was zu restaurieren war, das Haus verdiente es; bei aller Freundschaft, die uns verband, er sprach von einer Welt, die ich nicht kannte, die mein Vater angestrebt hatte, wie er sagte, die mein eigenes Interesse aber erst gar nicht geweckt hatte, ich habe das seinerzeit verschmäht, ich bin als Schreiner ein Quereinsteiger, ich habe Alltagsarbeiten verrichtet, ich war ein Kleinunternehmer ohne Ehrgeiz, ich habe keinen anderen Anspruch gehabt, seitdem ich bewusst auf meine Ambitionen verzichtete, um eine Zukunft zu akzeptieren, deren Grenzen mit denen der Werkstatt und dem schützenden Schatten meines Vaters übereinstimmten. Das ABC des Schreinerhandwerks: Ich habe schneller und mit besserem Werkzeug gearbeitet als ein Heimwerker, wahrscheinlich jedoch mit kaum besseren Ergebnissen, ich war nicht in der Lage, mir kompliziertere Aufgaben vorzunehmen. Wenig anspruchsvolle Aufträge korrekt erfüllen, das war’s, Fenster, Türen, Schränke, Regale, alles primitiv, funktional, Brett gegen Brett oder Brett in Brett eingepasst, ohne weitere Raffinesse; und dann die Zimmermannsarbeiten für den Bau. Eine Akkordarbeit, nichts Filigranes. Das blieb bis ganz zum Schluss so. Ich weiß nicht, ob ich es bedauere, nichts Höheres angestrebt zu haben. Hätte ich es, wäre meine Bitterkeit vielleicht noch größer, sie wäre von jener Galle durchtränkt, die meinen Vater sein Leben lang beherrscht und mit der er seine ganze Umgebung vergiftet hat. Ich kann nicht behaupten, dass ichdie Firma verloren habe, weil ich etwas Besseres wollte, dass ich auf Sieg gesetzt hatte und besiegt wurde. Nein, die Ausrede habe ich nicht, brauch sie auch nicht. Ich habe auf Sieg gesetzt, um zu überleben, um ein Auskommen zu haben. Oder um mir einen besseren Tod zu bereiten. Das Ziel war kein berufliches: das Haus, das ich mir auf dem Berg bauen wollte, eher eine Berghütte; die Spaziergänge mit dem Hund, die Jagd im Sumpfgelände. Ich habe nicht einmal wegen meiner eigenen Unzulänglichkeit verloren, sondern weil Tomás Pedrós die Erwartungen nicht erfüllt hat, weil er mich da reingezogen hat oder ich mich hineinziehen ließ oder hineingezogen werden wollte. Er setzte immer auf Sieg, sein ganzes Leben lang, er ist jünger, er wird das hinter sich lassen und dann weiter aufs Gelingen setzen. Er hatte schon mal eine Firma, Ende der Achtziger, mit der er viel Geld verdiente und die er, laut Bernal, abgestoßen hat. Er hat seinen Partner gerupft und im Stich gelassen, sagt er. Dieser Version zufolge hatte Pedrós – nachdem er das Geld einige Zeit in der Kühltruhe überwintern ließ – das Startkapital für das
Weitere Kostenlose Bücher