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Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)

Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)

Titel: Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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müssten sich dann mal duschen.«
    »Das ist doch scheißegal.«
    »Stimmt, Marcus«, sagt Ronnie. »Scheißegal.«

34. Hof des Bauern Zemke, Nähe Oldenburg, nachts
    Keiner von ihnen kann schlafen. Sie sitzen eng zusammengekauert, mit dem Rücken an die Wand gelehnt und starren in die Dunkelheit. Es ist kalt. Aus dem Stall nebenan hören sie das Gurren der Puten, ein beklemmender Klangteppich.
    »Die Puten schlafen genauso wenig wie wir«, flüstert Laura.
    »Wir sind genauso gefangen wie sie«, sagt Jakob. »Nur werden wir nicht geschlachtet.«
    Laura nickt. »Uns wollen sie erschrecken.«
    »Aber das haben die Rocker doch erreicht. Sie könnten uns laufen lassen. Jetzt machen sie sich strafbar. Weißt du, was ich nicht verstehe?«
    Laura sieht ihn an.
    »Was machen Rocker auf einem Bauernhof? Wo ist der Bauer?«
    »Du hast recht«, flüstert sie und streichelt Simon mechanisch über den Kopf, eine Geste, die Jakob überflüssig vorkommt. »Da stimmt was nicht.«
    »Vielleicht hat der Bauer die Rocker bezahlt, dass sie uns festsetzen.«
    »Macht das Sinn?«
    »Das macht keinen Sinn«, mischt sich Cem ein.
    »Was machen Rocker auf einem Bauernhof?«, flüstert Laura nachdenklich, als handele es sich um ein philosophisches Problem.
    »Und haben sie einen Plan?«
    »Das glaube ich nicht«, wirft Cem ein. »Die sind nicht besonders hell.«
    »Einen Plan hatten sie sicher«, sagt Laura. »Sie wollten unsere Handys.«
    »Damit wir keine Hilfe rufen können, ist doch logisch«, sagt Simon.
    »Aber warum wollten sie unbedingt die PIN -Nummern?«
    »Vielleicht weil sie auf unsere Kosten telefonieren wollen?«, sagt Cem. »Außerdem – meine PIN -Nummer haben sie nicht.«
    »Jakob hat recht«, sagt Laura. »Die hatten zumindest den Plan, sich die Handys und PIN -Nummern zu holen.«
    »Sie wollten vielleicht rausfinden, wer noch zu unserer Gruppe gehört«, sagt Cem.
    »Das ist eine Möglichkeit«, sagt Laura. »Gibt es andere?«
    »Sie benutzen unsere Handys«, sagt Jakob.
    »Macht das Sinn?«
    »Nein, macht keinen Sinn.«
    »Oder wir kennen den Sinn nicht«, sagt Laura.
    »Morgen lassen sie uns bestimmt laufen«, sagt Simon.
    Jakob und Laura sehen sich an. Beide erkennen ihre eigene Angst in den Augen des anderen.

Monolog Carsten Osterhannes
    Vor einem halben Jahr habe ich die neue Schlachterei für Puten eröffnet. Es war eine sehr schöne Feier. Ein Kammerorchester spielte. Brahms oder so was. Der Ministerpräsident war da, und niemand ahnte, dass er kurz danach abgewählt werden würde. Die Bundeslandwirtschaftsministerin schnitt das rote Band durch. Ich stand neben ihr und lächelte in die Kamera. Normalerweise mag ich keine Öffentlichkeit, ich hasse Fototermine, und Interviews gebe ich nur selten. Aber das war ein großer Tag. Wirklich, ein großer, besonderer Tag.
    Ich hatte ein gutes Gefühl, was die Planung betraf. Und in der Tat: Drei Wochen später lief die Fabrik auf vollen Touren. Planung ist in meinem Geschäft die halbe Miete. Heute schlachten wir in dem Werk 40000 Puten. Und zwar: jeden Tag. 40000 Puten.
    Mit dem neuen Werk gelang es uns, die Selbstkosten pro Kilo auf unter einen Euro zu drücken. Das ist ein sensationeller Wert, den niemand außer mir in Europa erreicht. Er beschert mir einen Gewinnsprung von 0,17 Euro pro Pute. Zusammen mit den staatlichen Fördermitteln habe ich in drei oder vier Jahren die neue Fabrik abgezahlt.
    Ich habe früh erkannt: Die Zielgruppe für Putenfleisch sind die Frauen. Und diese Strategie habe ich systematisch verfolgt. Es hat gedauert, aber heute ist es geschafft. Frauen lieben Putenfleisch, denn es ist fett- und kalorienarm. Wenn die Frauen Putenfleisch essen, denken sie, dass sie nicht zunehmen. Sie können Putenfleisch essen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.
    Was sie nicht wissen: Putenfleisch hat allerdings eine Besonderheit. Es hat kaum einen Eigengeschmack. Man erkennt Rind am Geschmack, Schwein und erst recht Wildschwein. Das gilt für alle anderen Tiere auch, nur nicht für die Pute. Erst dachten wir, dass die Geschmacklosigkeit ein Nachteil sei. Aber in Wirklichkeit ist es ein Vorteil. Jetzt kann es jeder, oder besser: jede essen – und zwar zu allem, Salat, asiatisch, gegrillt – völlig egal. Man wird satt und braucht dazu wenig Kalorien.
    Mein Gott, haben unsere Marketing- und Presseabteilungen geschuftet. Es war die erste große Kampagne. Absolut erfolgreich. Den Marktdurchbruch für Putenfleisch schafften wir letztlich über die

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