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Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)

Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)

Titel: Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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letzten Monaten. Und ich hatte kein gutes Gefühl, hier in dem teuren Hotel.«
    Sie hakte sich bei ihm unter, als sie in ihr Zimmer gingen. Wie lange hatte sie das nicht mehr gemacht? Arm in Arm in diesen weißen Bademänteln verließen sie das große Bad und gingen die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Er konnte sich nicht erinnern, dass es ihm jemals so leicht ums Herz gewesen war. Die Sorgen waren alle noch da, aber sie waren ausgesprochen, und es fühlte sich an, als wären sie damit verschwunden.
    Im Zimmer sagte Julia: »Setz dich.« Und er setzte sich in den großen Sessel, in dem er jetzt noch sitzt.
    »Wir haben viel zusammen erlebt«, sagt sie. »Wir haben zwei Söhne großgezogen. Wir haben den Hof über Wasser gehalten. Wir haben uns nie unterkriegen lassen. Und wir lassen uns auch jetzt nicht unterkriegen.«
    »Aber was wollen wir tun?«
    »Wir fahren morgen früh zurück auf unseren Hof. Aber zuerst besuchen wir Martin, und ich will, dass ihr beide redet. Darüber, wie wir den Hof retten.«
    Martin, ihr Sohn, der Ökologe
    Christian Zemke nickt. »Wir fahren nach Hause, Julia. Ich bin ein niedersächsischer Bauernschädel. Sie kriegen uns nicht klein.«
    Dann küssen sie sich. Sie küssen sich wie junge Leute, so lange, dass Julia irgendwann anfängt zu kichern.
    Wie ein junges Mädchen.

49. Stuttgart, Wohnung der Familie Caimoglu, abends
    »Cem ist ein guter Junge.«
    Dengler nickt.
    »Nehmen Sie noch ein wenig Tee.«
    Dengler nickt.
    »Jakob ist auch ein guter Junge.«
    Dengler nickt.
    »Er war schon oft hier bei uns.«
    Auch davon hat Jakob ihm noch nie erzählt.
    »Jakob ist mit Freunden nach Barcelona gereist.«
    »Ja, ja, die Kinder reisen gern heutzutage. Cem ist auch unterwegs«, er macht mit der Hand eine fahrige Bewegung. »Unsere Kinder sind auf großer Fahrt.«
    »Ist Ihr Sohn mit Jakob nach Barcelona gefahren?«
    »Nein, nein, Cem ist mit meinem Bruder nach Istanbul. Mein Bruder transportiert Textilien. Die Türkei ist ein Paradies für Textilien. Wussten Sie das?«
    Dengler nickt.
    Er versucht, sich ein Textilparadies vorzustellen, aber es gelingt ihm nicht.
    »Cem hilft meinem Bruder. Einladen, ausladen. Aufpassen, dass mein Bruder nicht am Steuer einschläft. Jetzt hat er den eigenen Führerschein und fährt auch manchmal.«
    »Sind Sie auch in der Textilbranche?«
    Cems Vater lacht. »Nein, ich bin wie jeder gute Türke beim Daimler. Allerdings bin ich Ingenieur. Ich arbeite in der Entwicklung. Wir entwickeln ein Auto, das immer waagerecht und ohne Erschütterungen bleibt, selbst wenn es übers Pflaster oder durch Schlaglöcher fährt.«
    »Gut, dass sich jemand auch darum kümmert.«
    Cems Vater lacht erneut, und dabei verzieht sich sein Gesicht in gut gelaunte Falten. Dengler mag den Mann.
    »Viele meiner Freunde sagen, wir perfektionieren eine sterbende Technologie. Vielleicht haben sie recht. Aber bis jetzt ernährt sie meine Frau und meine Kinder.«
    Dengler ist enttäuscht. Er hat angenommen, alle drei Freunde von Jakob seien nach Barcelona gefahren. Sie waren ein Ermittlerteam. Was bedeutet es, wenn Cem fehlt? Vielleicht hat ihr Verschwinden doch nichts zu tun mit Tieren?
    Cems Mutter tritt ein, eine schmale Frau von etwa fünfundvierzig Jahren, große, dunkle, fast schwarze Augen, dunkles Haar, das sie färbt, denn an den Schläfenansätzen flimmert ein kleiner grauer Ansatz, sie trägt ein braunes Kostüm. Dengler steht auf, als sie eintritt, und sie gibt ihm die Hand. Dann setzt sie sich zu ihrem Mann und nimmt ein Glas, füllt es mit Tee.
    »Sie sorgen sich um Ihren Sohn«, sagt sie und blickt ihn mit diesen großen dunklen Augen an. Dengler liest darin Interesse und Mitgefühl.
    »Mein Sohn Jakob ist in einer Gruppe aktiv, die sich um Tierrechte kümmert. Er macht verrückte Sachen. Dreht Filme über das Leben der Schlachttiere. Wissen Sie, ob Cem auch dazu gehört?«
    Tevfik Caimoglu richtet den Oberkörper auf. Sein Körper wird steif. »Cem ist ein guter Junge. Ich habe ihm beigebracht, die Gesetze zu respektieren. Meine Frau und ich sind Deutsche. Wir haben deutsche Pässe. Wir werden nie …«
    Dengler versucht es anders.
    »Mein Sohn isst kein Fleisch mehr. Wie …«
    Cems Vater hebt die Hände zum Himmel und sagt einige Sätze laut auf Türkisch.
    »Sprich Deutsch! Unser Gast versteht dich nicht«, sagt seine Frau.
    »Das ist eine Geißel, die uns heimgesucht hat. Stellen Sie sich das nur vor: Cem weigert sich, Fleisch zu essen. Er isst keinen Käse und trinkt kein Ayran.

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