Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)
greift er an ihren Oberschenkel und schiebt sie unter ihren Rock.
Die Putzfrau erstarrt mitten in der Bewegung, und die angestaute Luft entweicht mit einem sanften Pfeifen. Sie dreht sich um, murmelt etwas auf Andalusisch und schließt die Tür hinter sich.
»Was hat sie gesagt?«, flüstert Dengler.
»Eesa era tambien mi hora preferia. – Das war früher auch immer meine Zeit.«
»Ohne die PIN -Nummer kommen wir nicht weiter.«
In der Box rauscht die Wasserspülung.
»Ich muss ihr das Telefon in die Tasche schieben, wenn sie rauskommt. Und du musst hier raus, und zwar schnell.«
Dengler geht zur Tür.
In der Kabine wird die Tür entriegelt, und die Frau kommt heraus. Sie kramt in ihrer Handtasche, sucht ihr Telefon. Olga geht direkt an ihr vorbei, stößt sie leicht an, entschuldigt sich und schließt die Tür hinter der zweiten Kabine.
Die Blonde kramt weiter in ihrer Handtasche, findet das Handy, und Olga hört sie sagen: »Nein, hier ist alles in Ordnung.«
Siebter Tag
Samstag, 25. Mai 2013
90. Schuhgeschäft, Barcelona, vormittags
»Los! Mach schon. Führ uns zu Jakob.«
Doch die blonde Frau steht vor dem Schuhregal und redet mit der Verkäuferin. Diese, ein junges Mädchen mit schwarzen Zöpfen, nickt und verschwindet durch eine Tür. Dengler fotografiert sie mit der Handykamera. Doch nach wenigen Minuten erscheint sie wieder und jongliert vier Schuhschachteln und stellt sie neben die Blonde, die sich auf einen Stuhl gesetzt hat. In aller Ruhe probiert sie die Schuhe an, läuft im Laden auf und ab und kann sich nicht entscheiden. Dengler fotografiert sie.
Er schickt das Bild an Hildegard.
Kennst du diese Frau?
Die Antwort kommt prompt:
Nein? Wer ist das?
Die Blonde besucht einen Modeladen und kauft zwei T-Shirts. Dann schlendert sie die Ramblas hoch, betritt weitere Schuhgeschäfte, probiert ein Kleid an.
Dengler flucht. »Ich hätte Lust, sie in die Mangel zu nehmen. Aber dann wird sie ihre Hintermänner informieren. Ich war noch bei keiner Observation so ungeduldig.«
»Ich denke die ganze Zeit über den leeren Ordner nach. Auf dem Computer deines Sohns sind alle Ordner mit Material gefüllt. Schweine, Hühner, Puten, Kälber …«
»Nur der Ordner mit ›Menschen‹ ist leer. Lautet die Schlussfolgerung daraus vielleicht: Jakob und seine Freunde haben sich vom Tierschutz abgewandt und kämpfen gegen jetzt die internationale Finanzmafia? Treffen sie sich deshalb mit Leuten von der spanischen Finanzpolizei und lassen sich auf deren Veranda fotografieren?«
»Die gerne Teenager empfängt?«
Dengler sagt: »Ich weiß, das klingt alles absurd. Wir kennen die Zusammenhänge nicht. Immerhin haben wir eine Spur: Wir müssen an der Blonden dranbleiben.« Dann: »Wer ist mein Kind? Ich weiß es nicht, Olga. Je mehr ich ermittele, desto fremder wird Jakob mir.«
Als die blonde Frau aus dem Modeladen kommt, rennt ein Jugendlicher an ihr vorbei, in der Hand eine Damenhandtasche. Hinter ihm läuft ein spanischer Kellner, der laut »¡Detened al ladrón!« ruft. Die Leute sehen auf, aber da ist der Junge schon vorbeigelaufen. Zwanzig Meter weiter steht ein Moped mit laufendem Motor. Der Junge springt auf, der Fahrer gibt Gas, und der Kellner bleibt laut schimpfend stehen.
Die blonde Frau sieht dem ungerührt zu und geht dann weiter.
»Wir brauchen ihr Handy«, sagt Dengler. »Ich hab eine Idee.«
91. Hotel Colón, Barcelona, nachmittags
Die Blonde verlässt durch die Drehtür das Hotel. Sie hat sich umgezogen, trägt nun einen Minirock aus Jeansstoff, hohe Korkschuhe, ein weißes T-Shirt, und über die Schulter hat sie eine große Badetasche aus schwarzem Stoff gehängt. Zielstrebig wendet sie sich nach links zur Plaza de Antonio Maura und steigt in eines der am Straßenrand wartenden gelben Taxis. Dengler und Olga lassen sich in den nächsten kleinen Wagen fallen.
»Geradeaus«, sagt Dengler und beugt sich vom Rücksitz nach vorne, um besser sehen zu können.
»Deutsche?«
»Genau.«
Das Taxi vor ihnen mit der Blonden biegt nach links ab.
»Links«, sagt Dengler.
Nach einer Weile: »Jetzt rechts, dann geradeaus.«
»Soll ich dem Kollegen vor mir folgen?«
»Wäre super.«
»Freunde?«
»Ja, kann man sagen.«
Der Taxifahrer fängt an zu singen: »Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt … Acht Jahre Köln. Ford. Motormontage. Kölle Alaaf. Südstadt gut. In unserem Veedel.«
»Jetzt links.«
»Himmel un Ääd. Ah, Köln. Ich denke gerne daran
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