Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni
anmelden und durch einen Metalldetektor gehen. Die Wache führte Amanda zum Gefängnisaufzug und drückte den Knopf für das Stockwerk, in dem Justine Castle inhaftiert war. Als der Aufzug anhielt, sah Amanda einen schmalen, hell erleuchteten Gang vor sich. Am Ende hing an der Wand neben einer massiven Stahltür ein Telefon. Über der Tür war eine Beobachtungskamera montiert. Mit dem Telefon rief Amanda eine Wache. Einige Minuten später öffnete ein Beamter die Tür und führte Amanda in einen weiteren schmalen Gang. Auf der einen Seite befanden sich drei Besuchszimmer. Durch dicke Glasscheiben in den Türen konnte Amanda in jedes Zimmer hineinsehen. Der Beamte öffnete die schwere Metalltür, die dem Aufzug am nächsten lag. Auf der anderen Seite des Raums war eine zweite Stahltür, die in den Gang mit den Zellen führte. Ein schwarzer Knopf ragte aus einer Gegensprechanlage, die in die gelbe Betonwand eingelassen war.
»Drücken Sie hier, wenn Sie Hilfe brauchen«, sagte der Beamte, bevor er die Tür hinter sich schloss.
Amanda setzte sich auf einen orangefarbenen Stuhl aus Spritzgussplastik. Sie holte Block und Kugelschreiber aus ihrem Aktenkoffer und legte sie auf einen kleinen runden Tisch, der mit Metallbolzen am Boden befestigt war. Aus Erfahrung wusste Amanda, dass es eine Weile dauern würde, bis die Wache Justine zu ihr brachte. Während sie wartete, dachte Amanda an ihre letzte Begegnung mit der Ärztin.
Vor vier Jahren war es ein Schock gewesen, als sie Justine bei Tony Fiori antraf, aber das war inzwischen längst Vergangenheit. Außerdem war zwischen Amanda und Tony sowieso nie etwas gewesen. Sie war ehrlich genug um zuzugeben, dass sie es gern gehabt hätte, wenn etwas gewesen wäre, aber sie war auch realistisch genug um zu wissen, dass sie nur Freunde gewesen waren.
Die Schlösser klickten, und eine uniformierte Wärterin führte Dr. Justine Castle in das Besucherzimmer. Amanda betrachtete sie und suchte nach Spuren, die die vergangenen vier Jahre bei ihr hinterlassen hatten. Justine war erschöpft, und kein Mensch sieht um drei Uhr morgens in einem orangefarbenen Gefängnistrainingsanzug schick aus. Das vom Regen strähnige Haar war ungekämmt, aber trotz der widrigen Umstände war Justine noch immer sehr schön, und auch ihre Kraft schien noch da zu sein, auch wenn sie im Augenblick einer schweren Belastungsprobe unterzogen wurde.
»Vielen Dank, dass Sie gekommen sind«, sagte Justine.
»Dr. Castle ...«
»Bitte, Justine.«
»Mein Vater ist in Kalifornien. Er kommt erst in einer Woche zurück. Wenn Sie einen anderen Anwalt wollen, der Sie vertreten soll, kann ich Ihnen eine Liste ausgezeichneter Anwälte geben.«
»Aber Sie sind doch auch Strafverteidigerin, nicht?« Amanda meinte, einen Anflug von Verzweiflung in der Frage zu hören. »Der Stellvertretende Bezirksstaatsanwalt hat mir erzählt, dass Sie ihn eben in einem Mordfall geschlagen haben. Er hält Sie für sehr gut.«
»Das war sehr freundlich von Mr. Greene. Ich habe den Fall nicht gewonnen. Mein Mandant wurde für schuldig befunden. Ich habe die Geschworenen nur dazu gebracht, ihn nicht zum Tode, sondern zu lebenslänglich zu verurteilen.«
»Ich habe gelesen, was Ihr Mandant diesem Mädchen angetan hat. Es kann nicht einfach sein, eine Jury davon zu überzeugen, einem solchen Menschen das Leben zu schenken.«
»Nein, das ist es nicht.«
»Mr. Greene war also nicht nur höflich, als er sagte, dass Sie sehr gut sind.«
Amanda zuckte die Achseln, mit solchen Komplimenten konnte sie nicht gut umgehen. »Ich arbeite sehr hart für meine Mandanten.«
»Dann sind Sie die Anwältin, die ich will. Und ich will, dass Sie mich so schnell wie möglich von hier rausholen.«
»Das dürfte nicht einfach sein.“
»Sie verstehen nicht. Es darf nicht zu einer Mordanklage kommen. Mein Ruf wäre ruiniert, meine Karriere wäre ...«
Justine verstummte. Amanda sah, dass sie es hasste, so bedürftig und verzweifelt zu klingen.
»Das hat nichts mit meinen Fähigkeiten als Anwältin zu tun, sondern mit den Buchstaben des Gesetzes. In Oregon gibt es bei jedem Verbrechen außer bei Mord eine automatische Freilassung auf Kaution. Erinnern Sie sich noch an den Fall Ihres Mannes? Mein Vater musste eine Kautionsanhörung beantragen, als der Staatsanwalt Einspruch gegen eine Freilassung erhob. Wir werden für Sie eine ähnliche Anhörung beantragen müssen, außer der Staatsanwalt stimmt einer Freilassung zu.«
»Dann bringen Sie ihn
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