Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni
zwanzig nach acht inmitten der Yuppies an der Bar entdeckte, warf er bereits ängstliche Blicke zur Tür. Er trug ein dunkles Sportsakko, ein weißes Hemd ohne Krawatte und eine graue Bundfaltenhose, und er sah noch genauso gut aus wie in ihrer Erinnerung. Amanda zwängte sich durch das Gedränge. Tony sah sie und lächelte breit. Sie streckte die Hand aus, aber er ignorierte dies und drückte sie stattdessen an sich.
»Du siehst toll aus«, sagte Tony begeistert. Dann schob er sie ein Stückchen von sich weg. »O Mann, einfach großartig.«
Amanda spürte, wie sie rot wurde.
»Unser Tisch ist erst in ein paar Minuten so weit. Willst du was trinken?«
»Ja.«
Amanda bestellte eine Margarita. Es war sehr eng an der Bar, und sie standen Hüfte an Hüfte. Der Körperkontakt tat gut.
»Seit wann bist du denn wieder in Portland?«, fragte Amanda, während sie auf die Getränke warteten.
»Ich bin schon seit fast einem Jahr wieder am St. Francis.«
»Aha«, erwiderte Amanda kühl, denn es ärgerte sie, dass er mit seinem Anruf so lange gewartet hatte. »Du hattest wohl sehr viel zu tun.«
»Du bist völlig zu Recht sauer. Es war nur so... Na ja, es war mir einfach peinlich, was damals in der Nacht passiert ist, als du überraschend bei mir aufgetaucht bist. Ich wusste nicht, ob du noch was von mir wissen wolltest.«
»Das muss dir doch nicht peinlich sein«, erwiderte Amanda ganz neutral. »Ich hatte kein Recht anzunehmen, dass du allein sein würdest.«
»Du hast jemanden gebraucht, der dich tröstet, und du bist zu mir gekommen. Als ich dann mitbekam, was du in den Bergen erlebt hast, kam ich mir vor wie ein richtiger Scheißkerl.«
»Dazu hattest du keinen Grund«, entgegnete Amanda schärfer, als sie beabsichtigt hatte.
Tony wirkte bestürzt. Dann atmete er tief durch.
»Wir waren Freunde, Amanda. Man muss nicht mit jemandem schlafen, um ihn gern zu haben.«
In diesem Augenblick kam die Platzanweiserin, um ihnen zu sagen, dass ihr Tisch jetzt frei sei. Amanda war dankbar für die Unterbrechung und folgte ihr in verlegenem Schweigen. Sie gab ihnen die Speisekarten und eine Weinkarte. Kaum war sie gegangen, legte Tony seine Speisekarte auf den Tisch.
»Lass mich erst mal die Atmosphäre reinigen, okay? Sonst stottern und erröten wir beide den ganzen Abend nur. Ich will mit Justine anfangen. Ich hatte sie im Krankenhaus ein paar Mal gesehen, aber ich hatte nie viel Zeit mit ihr verbracht, bis Cardoni auf Mary Sandowski losging. Ich war zufällig dabei, als Justine ihn zur Rede stellte. Ich befürchtete, er könne sie schlagen, also fragte ich, ob es ein Problem gebe, nur um Cardoni zu zeigen, dass Justine nicht allein war. Nachdem sie und ich Mary beruhigt hatten, unterhielten wir uns. Eins führte zum anderen. Als ich dich im YMCA zufällig traf, schliefen wir bereits miteinander.« Tony hielt inne und starrte auf den Tisch.
»Du darfst das nicht falsch verstehen. Ich bin keiner, der von einer Frau zur anderen hüpft. Aber Justine und ich... Na ja, ich weiß nicht, wie ich es sonst sagen soll. Unser Sex diente nur der Entspannung. Sie machte gerade eine schwere Zeit durch, und ich war für sie eine Ablenkung. Ich mochte sie, und ich glaube, sie mochte mich auch, aber es hatte nichts zu bedeuten.«
»Tony ...«
»Lass mich ausreden! Du hast mir wirklich etwas bedeutet. Ich mochte dich immer schon gern, auch als wir noch ganz jung waren. Aber damals war es eher wie großer Bruder und kleine Schwester. Als ich dich dann im YMCA sah, war ich verwirrt. Du warst kein kleines Mädchen mehr. Du warst eine Frau. Ich wusste nicht, wie ich mit dir umgehen sollte. Nachdem wir diese beiden Abende miteinander verbracht hatten, konnte ich nicht mehr aufhören, an dich zu denken, und ich wollte dich wiedersehen.«
»Und was hat dich davon abgehalten?«
»Ich hatte eine Stelle in einem der besten Assistenzprogramme im ganzen Land bekommen, aber die war in New York. Und eine Liebe auf Distanz erschien mir sinnlos. Außerdem wusste ich nicht, was du für mich empfindest. Wir waren ja nur ein paar Mal miteinander ausgegangen. Und du standest am Anfang deiner Karriere.« Tony zuckte die Achseln. »Und dann hast du mich mit Justine überrascht. Ich will jetzt nur wissen, wie sehr ich dich gekränkt habe, weil ich die ganze Zeit dachte, ich sei dir so gleichgültig, dass mein Weggang dir nichts ausmacht.« Widersprüchliche Empfindungen verwirrten Amanda. Es freute sie natürlich, dass Tony so starke Gefühle für sie
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