Amarilis (German Edition)
Krankentransporter befanden sich
am niedrigen Rinnstein, der den Fußweg nur geringfügig von der Straße abhob.
In der Nähe des Dols stiegen sie aus. Die dort noch stehenden
Bäume belebten die Umgebung und schuffen einen farblich angenehmen Kontrast zur
Betonierung anderer Wohngebiete. Auch war die Luft in diesem Teil der Stadt
erheblich besser. Steff atmete tief durch. Lediglich bei Meika in Hakenfelde
konnte er noch so unverfälscht die Gerüche der Natur wahrnehmen.
Als sie an der Haustür von b 12-c 3 ankamen, breitete sich
vor ihnen ein riesiges Grundstück aus. Zwischen den Tannen, die auf dem
schlecht gemähten Rasen standen, konnten sie die Giebel eines runden Hauses erkennen,
die rötlich in der milden Abendsonne schimmerten.
Meika schaute auf den Namen an der Pforte. »Vincente
Giacomo«, las sie laut und rüttelte an der Klinke. Doch es tat sich nichts. Der
Eingang besaß weder Klingel noch eine abschließbare Steckeinrichtung. Der Magnet
des Schlosses konnte nur aus dem Hausinnerem geöffnet werden und war von außen
mit einer Plastikummantelung verriegelt. Es schien, als ob der Besitzer
momentan verreist wäre.
Steff versuchte, über den Zaun zu klettern, aber gleich
darauf nahm er die elektrostatische Absicherung wahr. Schnell stieg er wieder
vom steinernen Gatter herunter. Auf einen Versuch, ob die Anlage abgeschaltet
war, wollte er es nicht ankommen lassen. Wenn nämlich nicht, dann erlitt er
einen Herzschock und konnte ohnmächtig und kurzfristig gelähmt werden.
Ratlos standen sie vor der Tür. Fragend sah ihn Meika an und
umfaßte tröstend seine Hüften. »Was willst du nun machen, Steff? Du siehst ja,
hier kommen wir nicht weiter.« Suchend schaute sie sich ein letztes Mal um.
Dabei fiel ihr Blick auf eine Spielzeichnung, die sie noch von ihrer Kindheit
her kannte. Auf dem Pflaster der Straße waren fünf Quadrate abgebildet, derem
vorletzten sich rechts und links ein weiteres anschloß. Sie erinnerte sich, dass
dahinein kleine Steinchen geworfen werden mußten, die dann hopsend oder auf
einem Fuß hüpfend von Feld zu Feld gestoßen werden konnten.
Sicherlich hätte sie darüber hinweggeschaut, wenn ihr nicht
eine eigenart der Formen dieser Quadrate aufgefallen wäre, die sie befremdete.
Die beiden seitlich am Kopf der Zeichnung ausgelassenen Felder waren nicht
viereckig, sondern zogen ihren oberen Rand zur Spitze des Spieles hin. Sogleich
erhielt sie den Eindruck, als ob sie einen Pfeil darstellten. Neugierig ging
sie näher heran. Im obersten Kästchen stand der Buchstabe s. S wie Sokuk.
Hastig zeigte sie Steff die Abbildung und erklärte ihm ihren
Gedanken. Sofort liefen sie auf die andere Straßenseite und begannen, dort nach
etwas zu suchen, dessen sie sich selber nicht klar waren. Ein unbestimmtes
Indiz, ein Hinweis, der ihre Idee vielleicht bestätigen würde.
An der Innenseite eines Holzpfahles hing ein kleines,
unscheinbares Beutelchen. Fast riß sie die Schnur ab, mit der es an der Latte
befestigt war, als sie das lederne Säckchen an sich nahm.
In seinem Inneren befand sich ein Zettel. »Professor ist
entführt worden. Melde mich, wenn ich Adresse habe. Eilig, da er von santoganischer
Verrätergruppe umgebracht werden soll. Freue mich über ihre Rückkehr. Sokuk.«
Steff und Meika sahen sich gleichzeitig an. Sokuk lebte also
noch. Und wie jedesmal, waren seine Informationen von hohem Wert. Nun galt es
erst Recht, Professor Giacomo zu finden.
John stellte sich den Aktenkoffer zwischen die Beine und stierte
griesgrämig auf seine Fußspitzen. Seine Abreise bereits wenige Tage nach der
Ankunft war nicht geplant gewesen. Schon gar nicht unter diesen Umständen.
Wütend schlug er sich mit der Faust auf den Oberschenkel.
Die sich schon vor Ort befindlichen Techniker hatten sich in
einer nahen Raststätte einquartiert und versucht, mit dem Baumeister des Geländes
über ein Betreten der Fundstelle zu verhandeln. Doch sie waren mit ihren
Überzeugungskünsten nicht weit gekommen. Der Mann stellte sich stur und verwies
auf seine Order. Wäre John nicht am gleichen Abend noch angereist, hätten sie
ein Telex der Raumfahrtbehörde geschickt. So aber hofften sie, dass er als
offizieller Delegierter des Senats eine positive Entscheidung herbeirufen
konnte.
Doch in dieser Beziehung hatten sie sich getäuscht. Wütend mussten
sie hinnehmen, dass hinter der ganzen Angelegenheit mehr als nur der kleine
Auftrag
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