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Amarilis (German Edition)

Amarilis (German Edition)

Titel: Amarilis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Kempas
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gerade hier in
der Einsamkeit des Weltalls hatte dieses an und für sich hohle Symbol die
Vertraulichkeit einer persönlichen Mitteilung. An seinen äußeren Formen konnte
er noch die Kerben und Einschnitte des primitiven Messers erkennen. Das warme
Holz wog allerdings einwenig schwerer, da die Gravitation auf dem Schiff der
des santoganischen Planeten angeglichen war.
       Vor ihm auf dem Tisch standen zwei Plasmabirnen, zwischen
denen ein elektrisches Feld aufgebaut war, das die Schreibunterlage erhellte.
Mit dem Fuß schaltete er einen Kontakt, damit die Elektroden heller glühten.
Mittels einer ultravioletten Steuervorrichtung regulierte er die Leuchtwinkel
der Birnen und ihre Reflexionsstärke. Warm ergoss sich das Licht über den Tisch
und streute seinen phosphoreszierenden Rand in kristalline Farbreflexe.
       Steff schaute sich noch einmal die Informationen über das
soziale System der Santoganer an. Imgrunde genommen besaßen sie nichts in
diesem Bereich den Menschen ähnliches. Es gab zwar auch eine Art Erziehungseinrichtung,
die aber eher wie eine Anleitung, eine Gebrauchsanweisung von Dingen und Eigenschaften
mutete. Selbst situative Eindrücke und abstrakte Orientierung waren
Bestandteile eines genetisch komplexen Nervensystems. Dessen Ausmaß gründete
sich einzig in der Anzahl seiner Gittermoleküle, deren Gesamtverband von
Elementarteilchen und chemischen Ladungseigenschaften - in der Hauptsache
Kationen - einzelne Nervenimpulse hervorrief.
       Somit entschied über Qualifikation und Stellung im Beruf
ausschließlich die Anzahl der Gittergeraden, wobei die individuellen Interessen
und die nicht von der Hand zu weisenden Eigenarten in Charakter, Ansicht, aber
auch Physis durch die unterschiedliche Ordnung und Auffüllung der einzelnen
Konstanten bestimmt wurden.
       ‚Dabei besitzen sie ebenso Gefühle wie wir’, durchfuhr es
Steff. Eine Spur von Achtung stieg in ihm hoch, als er sich der Augen von Shan-Ucci
erinnerte. Sie konnten verschlossen sein, aber auch so offen wie ein klarer
Bergsee. Er fragte sich allerdings, ob die Santoganer dieses Phänomen steuern
konnten, oder es ihnen wie eine menschliche Emotion zugrunde lag, die sie bestenfalls
zu unterdrücken vermochten.
       War eine Gittergerade aufgefüllt, gab es für die
Außerirdischen nur zwei Alternativen. Der nächste Schritt der Evolution
entschied über ihr Weiterleben oder über ihren Tod. Denn an dieser Stelle
öffneten sie ihre Tetraeder, um eine neue Gittergerade auszubilden. Wenn sich
jedoch eine artfremde Verbindung an diesen nur äußerst gering geladenen Pol
setzte, bevor er von einem Molekül der Silikonionen gefunden werden konnte, war
der weitere Ausbau blockiert. Wie in einer Krankheit wurden sie daraufhin zu
einfacher, nicht lebender Materie, die sich mit der Zeit zersetzte.
       ‚Gib es denn bei ihnen keine Angst oder irgendeine Vorsichtsmaßnahme,
um sich vor dem Tod zu schützen?’ Steff konnte sich vom menschlichen Standpunkt
her einfach nicht mit diesem Schicksal anfreunden. Doch für die Santoganer
bestand darin die unerschütterliche Vorgehensweise der Natur, der sie sich
immer gefügt hatten. Zumal ihr Tod ihnen weder Schmerzen noch sonst eine Pein
erbrachte. Steff überlegte, ob der Tod den Menschen, wenn er nur nie
schmerzvoll wäre oder unter tragischen Umständen verliefe, vielleicht ebenso vertraut
hätte werden können.
       Doch vollkommen gleichgültig schienen auch die Santoganer
nicht zu sein, denn sie trugen den positiven Ausgang nicht ohne eine gewisse
Art von Stolz. Ein Dreigitter-Tod-Kenner zum Beispiel hatte seine Gittergeraden
bereits dreimal erfolgreich auffüllen können. Er war der, der dem Tod schon
dreimal in die Augen geschaut - und ihm widerstanden hatte. Sein Alter maß sich
dementsprechend.
       ‚Wenn ihre Mentalität Würde und Stolz aus der Überwindung des
Todes gewinnt, und sie sogar ihr Alter danach berechnen, dann müssen sie auch so
was wie Furcht kennen’, dachte Steff. ‚Oder Respekt. Aber die Unumgänglichkeit
als gegeben anzusehen, konnten doch keine intelligenten Wesen freiwillig eingehen.
Der beste Beweis ihres kämpferischen Mutes, ihres nicht untergehenden Willens
bestand ja in ihrer Suche nach den Positronen. Hier wurde eine scheinbare
Unentrinnbarkeit auch nicht hingenommen.’
       ‚Vielleicht’, überlegte er, ‚besteht bei ihnen schon ein
Unterschied zwischen der individuellen Fügsamkeit und dem Aussterben ihrer
ganzen Rasse. Das eine ist der

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