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Amarilis (German Edition)

Amarilis (German Edition)

Titel: Amarilis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Kempas
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das
Gravitationsfeld hineingerieten, um sich dann durch den Raum katapultieren zu
lassen. Dieser Vorgang durfte jedoch nicht zu schnell erfolgen, da sich sonst
sein interner Zeitablauf derart verlangsamte, dass die relative Zeit ihres
Heimatplaneten sich letztlich mehr als ein halbes Jahr von der ihrigen
unterschied.
       Diese Vorgehensweise bedurfte einer exakten Berechnung und
einer den irdischen Maßstäben weit überlegenen und unbegreiflichen Technik. Die
Relativität der Zeit konnte sich nämlich in der Reihenfolge von Ursache und Wirkung
bereits bei Elementarlänge verkehren. Obwohl die Astronauten in der Krümmung
des Raumes nie die Lichtgeschwindigkeit übertrafen, schienen sie doch mit
Überlichtgeschwindigkeit zu fliegen, während sich die Zeit selbst für sie
verlangsamte. Sie schienen bei einem Punkt B anzukommen, noch ehe sie den Punkt
A verlassen hatten. Obwohl sie nicht gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten
sein konnten, schien eine Zeitspanne dazwischen nicht zu existieren. Ihr Ablauf
war einerseits zu schnell, um noch messbar zu sein und andererseits zu langsam,
um überhaupt real vorzukommen.
       Sie hatten sich somit selbst überholt. Die Verlangsamung
deutete darauf hin, dass sie eine nur geringe Energie verbrauchten, wohingegen
die unendliche Beschleunigung auf eine außerordentliche Kraftanstrengung wies.
Das Magnetfeld des gekrümmten Raumes widersprach den gradlinigen Gesetzen.
Entfernungen wurden überbrückt durch eine Eigendynamik der Teilchen, die
integraler Bestandteil auch der schwersten Massen war. Materie konnte ohne die
zur Durchdringung notwendige Energie von einem Ort zum anderen gelangen, indem
sich der Potentialwall des Magnetfeldes durch die Versetzung seiner Pole, die
durch die Krümmung entstanden war, öffnete und den einzelnen Objekten einen
Impuls gab, der sie über die Grenzen von Zeit und Raum innerhalb der Ganzheit
des Kosmos davontrug.
       Steff war mittlerweile aufgestanden und ziellos in seinem
kleinen Zimmerchen herumgegangen. Da sie in einer Stunde nach den Maßstäben des
Schiffes den Punkt erreicht hatten, der sie zu einem Hypersprung durch die
Verschachtelung des Alls katapultieren sollte, wollte er den Beobachtungsraum
des nicht technischen Personals aufsuchen, in dem riesige Sichtfenster,
Computeranzeigen und die verschiedenartigsten Oszillografen über den Wänden
verteilt waren.
       Hier traf er auch John und Kip, den bulligen Afrikaner, an.
Gemeinsam setzten sie sich vor einen Bildschirm, der gerade die Annäherung an
den massereichen Sternenkörper aufzeichnete. An der betreffenden Seite des
Flugschiffes waren Außenkameras angebracht, die dieses monumentöse Gebilde in
alle wichtigen Räume übertragen konnten.
       Ihr Fernsehbild war bereits vollkommen vom Gestirn
ausgefüllt, obwohl sie noch über mehrere Millionen Kilometer von ihm entfernt
waren. Seine rötliche Oberfläche schwamm in einer Gashülle, die ihn an manchen
Stellen in gelblich flimmernde Flecken tauchte.
       Steff beobachtete mit heimlichem Grinsen Kip, wie dieser in
wachsendem Vergnügen in die Hände klatschte und mit offenem Mund mal zu ihm
guckte, ob ihnen ebenso nichts entging, und dann immer wieder wortlos zum
gewaltigen Stern hindeutete.
       Steff sah auf den Bordanzeiger, der in wenigen Sekunden den
Beginn des Hypersprungs mitteilte. Er musste bewundern, wie die Santoganer es
fertiggebracht hatten, in nur kurzer Zeit alle für die Menschen wichtigen Anzeigen
und Instrumente um die Maßstäbe und Zahlen ihrer Messtechnik zu ergänzen.
Allein ihr mathematisches Denken war aufgrund der Anzahl ihrer Finger und Füße
zunächst auf ein Sechsersystem aufgebaut. In der Regel bestand die Ablesetafel
eines Computers nun aus zwei Skalen, einer santoganischen und einer irdischen.
       Gebannt wanderte sein Blick zwischen der Anzeigetafel und dem
Fernsehschirm hin und her. Dann, als der Anzeiger auf null zuging, starrte er
wie magnetisiert auf den Bildschirm, auf dem sich der Riesenstern ausbreitete.
Nach seinen Vorstellungen musste dieser im Nu verschwunden und von irgendeinem
verschwommenen Zerrbild des kosmischen Magnetfeldes ersetzt worden sein.
       Aber es geschah nichts. ‚Na ja’, dachte er, ‚wäre auch zu
schön, um wahr zu sein, wenn ich mir so etwas hätte wirklich vorstellen können.’
Er schaute in die Gesichter der anderen und sah auch dort Enttäuschung. Kips
Mund stand immer noch offen, aber sein Gesicht hatte nun die andächtige
Hingebung verloren, die

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