Amarilis (German Edition)
Sokuk an.
»Woher wissen Sie das eigentlich? Vielleicht wäre es besser, wenn ich das alles
Mal direkt von ihrem Informanten zu hören bekäme.« Denn so schien es ihm am
leichtesten, die Glaubwürdigkeit der ganzen Angelegenheit abschätzen und überprüfen
zu können. Doch Sokuk tat ihm nicht den Gefallen.
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen, Doktor. Nur so viel:
Sein Sie in Zukunft vorsichtig im Umgang mit den Außerirdischen. Auch wen Sie
nach diesen Positronen fragen wollen, überlegen Sie sich gut. Am besten beraten
sie sich mit Ihren Kollegen. Die treffen Sie ja heute schon.« Sokuk schaute
sich um. Gerade war zur Halbzeit gepfiffen worden, und viele Leute standen auf,
um sich die Beine zu vertreten oder sich etwas kaufen zu gehen. »Ich muss jetzt
gehen, Doktor Maiger. Aber wir werden in Verbindung bleiben. Morgen, nachdem
Sie sich mit den Santoganern im Haus der Raumfahrt getroffen haben, um über den
anstehenden Flug zu reden, werde ich mich wieder über Telex melden.«
Noch ehe Steff etwas erwidern konnte, war er verschwunden.
Einmal vermochte er seinen runden Kopf mit den abstehenden Ohren noch kurz im
Ausgang zu sehen. 'Der weiß ja gut Bescheid mit meinen Terminen', war alles,
was ihm im ersten Augenblick einfiel. Dann schaute er hinunter zum Fußballfeld,
wo gerade die Spieler den Platz verließen.
Angesichts der soeben gehörten Informationen hatte er aber
keine Lust mehr, auf die zweite Halbzeit zu warten. Mit einem Kopfschütteln
stand er auf und verließ die Tribüne.
Auf dem Vorfeld des Stadions rief er sich eines der dort
parkenden Lufttaxis und nannte seine Adresse. 'Zuhause muß ich erstmal zu mir
selber kommen und meine Ruhe wiederfinden. Dann läßt sich sicher besser über alles
nachdenken.' Es war ihm im Augenblick nicht danach zumute, sich wie vorgesehen
auf die Konferenz mit den anderen Kollegen und Mitfahrern vorzubereiten. 'Was
werden die wohl zu den Nebenwirkungen des Positrons sagen? Hoffentlich halten
sie mich nicht für einen Spinner, der leichtgläubig auf einen Scherz
hereingefallen ist. Aber besser noch das, als diese entsetzliche Wahrheit.'
Verwirrt ließ er sich in den Sitz zurückfallen. Der Fahrer
vor ihm schaute sich auf einem kleinen Fernseher die Übertragung des Spiels an,
während er nebenbei seine Schaltfelder überwachte und bisweilen eine Fluganweisung
eingab.
Steff starrte nach unten. Das Verkehrs- und Häusernetz konnte
er kaum ausmachen. In den letzten zwei Jahrzehnten waren die Gebäude aufgrund
des akuten Wohnungsmangels ab einer Höhe von drei Metern in die Straßen
hineingebaut worden, das hieß, sie klappten oberhalb der Passanten fast wie ein
Dach zusammen. Dadurch war nur ein schmaler Streifen Himmel zu sehen, der wenig
Licht durchließ und kaum den Eindruck des Zuzementiertseins, der einen
innerhalb der Wohnungen schon befiel, verflüchtigen lassen konnte.
'Einerseits haben sie den Verkehr unten auf dem Boden fast
ganz aufgehoben, so dass es kaum mehr zu Unfällen kommt, und die Kinder in Sicherheit
spielen können, andererseits aber haben sie es geschafft, die Straßen nahezu
von Luft und Natur auszusperren. Da nützen auch keine bemalten Häuserfassaden,
Blumen und Sonne bleiben doch aus Stein.'
Steff mußte Meika Recht geben. Sie sah das mehr von der
politischen Seite. Umwelt wird durch Technik ersetzt. Sonnenwärme durch Heizung,
Sonnenlicht durch Strom. Wer ersetzt einem aber die direkten Annehmlichkeiten
der Sonne? Ein Solarium? Oder gar das Traumkino?
Nachdem sich die Supermächte 2010 in SALT XI zur totalen
Nullrüstung und zur Kontrolle unter Beobachtungssatelliten verpflichtet hatten,
wurde fast das ganze verbliebene Geld in die Technik gesteckt. 'Das ist zwar
besser als vorher, aber dadurch ist die Umwelt auch nicht natürlicher
geworden.' Er mußte grinsen. 'Das haben sie schon mal versucht, nach dem
Zusammenbruch des gesamten Ostblocks im vorigen Jahrhundert. Was haben sie
damals aus den alten Kasernen hier in Berlin gemacht. McNair dient längst der
Wiederaufbereitung von Solarakkumulatoren, entschwefelten Energiezellen und
fotosynthetischen Haushaltsbatterien mit Rotlichtdynamo, die Briten in der
Wilhelmstadt sind eine Endlagerung nicht wiederverwertbarer und umweltfeindlicher
Gift- und Ballaststoffe, und das einst so würdevolle Quartier Napoleon hat
schlichtweg seine letzte Aufgabe als Mülldeponie und in der Anlage eines
Rieselfeldes gefunden.'
Sie landeten auf dem Dach von
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