Amber Rain
einen Gast. Sie ist sehr unerfahren und schreckhaft.“
Sie lächelt. „Und du willst es ihr austreiben, ja?“
„Ich mache mir Sorgen um sie, denn ihre Nervosität bede u tet, dass ihr Leben an ihr vorbeizieht. Aber ich befürchte, wenn deine Szene mit Anthony das Erste ist, was sie sieht, wenn sie diesen Raum betritt, wird sie schreiend davonlaufen.“
„Du hast sie kennengelernt, als sie zum ersten Mal irgendwo schreiend davonlief, nicht wahr?“ Ihre Arme zucken, und ich weiß, wenn ihre Handgelenke nicht gebunden wären, würde sie mir über die Wange streichen. Ich habe Michaelas freiwillig geschenkte Berührungen immer sehr geschätzt und bedaure ein wenig, dass Anthony sie bereits gefesselt hat, obgleich ich mir bewusst bin, dass diese Stricke Michaelas Wunsch waren.
„Du bist ein zu gutherziger Mensch, Crispin“, sagt sie. Es ist immer wieder faszinierend, wenn Menschen so etwas zu mir sagen. Vor allem die Menschen, die mich mit einem zwanzig Meter langen Hanfseil in der Hand erlebt haben und wissen, was ich damit anstellen kann.
„Verzeihst du mir, wenn ich Anthony bitte, eure Szene ein wenig zu verzögern?“ Ich könnte hinzufügen, dass ich es ihr dankend lohnen werde, aber das ist Anthonys Entscheidung, nicht meine.
Sie lächelt ruhig. „Aber ja. Für dich doch immer.“
Ich küsse ihre Stirn, als ich aufstehe. „Ich danke dir, Baby.“ Anthony ist fertig damit, die Bank zu desinfizieren, auf die er Michaela gleich fesseln wird. Er sieht mich an und grinst.
„Hab verstanden, Sir. Ich werde es ruhig angehen lassen.“ Er streckt die Hand nach Michaela aus, und sie erhebt sich und geht mit sicheren Schritten zu ihm, legt sich rücklings auf die Bank und streckt die Beine aus. Als er ihre Knöchel in den si l bernen Schellen am Ende der Bank fixiert hat, gehen mit einer unnachahmlichen Anmut ihre Arme gestreckt über den Kopf. Anthony durchtrennt das Seil und legt ihr stattdessen die Handschellen an, deren Ketten er an Ringen unter der Bank fixiert. Michaela ist perfekt. Ein perfekter, schlanker Körper, ganz ohne Narben, obgleich sie schon seit vielen Jahren Su b missive ist. So ausgestreckt ist ihr Körper vollkommen ebe n mäßig. Sie trägt nur einen schwarzen String, den Anthony ihr sicher während der Szene auch lassen wird, aber ich kann ihre Erregung riechen. Wieder würde ich sie gern anfassen, aber das darf ich nicht. Michaelas Augen wandern zur Tür, die vom Saal in das Foyer fühlt.
„Ich glaube, du wirst erwartet, Crispin“, sagt sie.
Ich drehe mich um. In der Tür steht Amber. Sie wirkt vol l kommen fehl am Platze, nicht zuletzt weil sie für diesen Ort total falsch gekleidet ist in dem mädchenhaften Sommerkleid. Sie steht wie angewurzelt. Ich nicke Anthony kurz zu und m a che mich auf den Weg quer durch den Saal. Im Weggehen höre ich, wie Anthony murmelt: „Du hast gesprochen ohne Erlau b nis.“ Seine Stimme ist anders als zuvor. Eine scharfe Kante hat sich hineingeschlichen. Er hat den Dom ausgepackt. Der Junge hat Talent.
Ambers Augen irren durch den Raum. Halb erwarte ich, dass sie zittert ob des Anblicks vor ihren Augen, aber das tut sie nicht. Ich muss daran denken, dass sie mich nicht kennt. Ich schlage einen Haken, bewege mich unauffällig am Rand des riesigen Raumes entlang auf sie zu, halb in den Schatten, halb verdeckt von prächtigen Blumengebinden und Pflanztöpfen mit tropischen Kostbarkeiten. Ich beobachte sie. Sie sieht so aus, wie ich sie in Erinnerung habe, auf der anderen Seite der Glasscheibe. Sie trägt die honigblonde Mähne offen, nur von einem breiten pastellfarbenen Haarband aus dem Gesicht g e halten. Ihre Haut ist klar und ein wenig blass, aber in ihren A u gen liegt in diesem Moment eher Neugier als Furcht. Erwa r tungsvolle Neugier. Welcher unter den Männern, die hier in diesem Salon warten und ihr trotz ihres unpassenden Auftritts keine Aufmerksamkeit schenken, ist der, der ihr einen Orga s mus am Telefon verschafft und ihr eine Augenbinde zum G e schenk gemacht hat?
Ihre ganze Konzentration gilt dem blumengeschmückten Raum, der sich unter einer Glocke schwerer, sinnlicher Düfte vor ihren Füßen ausbreitet. Ich erreiche sie. Ich habe nicht damit gerechnet, dass sie nur wenige Zentimeter kleiner ist als ich, und unwillkürlich fällt mein Blick auf ihre Füße. Nein, Highheels trägt sie nicht. Ich bleibe halb hinter ihr stehen, nur einen Schritt entfernt, aber sie ist wie paralysiert von dem Raum und den Eindrücken, die er
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