Amber Rain
länger, bis der Mann anfängt, seine Frau mit einem Seil zu verprügeln.“
„Hey, das ging jetzt aber unter die Gürtellinie.“
Sie zieht mir das Shirt aus dem Hosenbund und platziert f e derleichte Küsse auf meinem Bauch. Mein Kopf sackt auf die Rückenlehne. Ich fühle mich pudelwohl. Kein Wunder, dass das Tier in mir schläft.
„Weißt du“, sagt sie zwischen zwei Küssen. „Ich habe am Anfang gedacht, dass du von den Bildern lebst, die du ve r kaufst. Du weißt, solche wie die in dem Zimmer im Club.“
„Es sind ja nicht meine Bilder. Die macht George. Er ve r kauft sie auch. Den Erlös teilen wir uns, aber das ist nicht so viel, wie man glauben könnte. Nicht jeder hängt sich Bondage Kunst ins Wohnzimmer.“
„Vielleicht wäre die Welt ein weniger aggressiver Ort, wenn mehr Menschen das tun würden, was meinst du?“
Das sind Fragen, die ich mir nicht stelle. Ich nenne sie unb e queme Fragen. Dann müsste man Untersuchungen anstellen, ob die Männer, die Diktaturen regierten und Kriege führten, friedlicher gewesen wären, wenn man sie einmal pro Woche mit einer Peitsche in der Hand in einen SM-Club geschickt hä t te. Und ganz ehrlich, daran zweifle ich. Dass mir der Lifestyle dabei hilft, meine Neigungen zu kontrollieren, muss nicht b e deuten, dass es auch dem Typen in Basildon helfen würde, der seine Frau und seine drei Kinder schlägt. Wahrscheinlich nicht. Ich denke über solche Dinge nicht nach.
Amber stützt sich mit den Ellenbogen auf meinen Bauch und sieht mir ins Gesicht. Das pinkfarbene Popsternchen im Fer n seher hat einer hüpfenden Boyband Platz gemacht. Mein Fi n ger zuckt über der Fernbedienung.
„Womit verdienst du denn nun eigentlich dein Geld, Cri s pin?“ Ihre Frage ist ernst gemeint. „Ich meine, all das hier, das kriegt man doch nicht umsonst. Du lebst auf wahnsinnig gr o ßem Schuh, und ich jetzt auch, wo kommt denn das Geld d a für her?“
„Ich habe geerbt. Um Geld machen wir uns keine Sorgen, du und ich.“
„Ich will es aber wissen, Baby. Was arbeitest du genau?“
Ich habe diese Frage befürchtet seit dem Tag, als ich sie das erste Mal in Club 27 getroffen habe. Ich habe so oft darüber nachgedacht, was ich darauf antworten könnte. Und mir ist bis heute keine Antwort eingefallen, mit der ich leben kann. A m ber Rain Nicholas hasst Psychiater, weil sie ein halbes Leben lang diesen Typen ausgeliefert war, die zwar hochtrabende D i agnosen stellten und ihr erklärten, dass sie nicht arbeiten kön n te, die aber nicht mal den Versuch gemacht haben, ihr zu he l fen. Ich habe Angst, dass ich sie verliere, wenn sie weiß, was ich mache. Und ich bin mir sicher, dass ich sie verlieren werde, wenn sie jemals erfahren sollte, dass und woher ich sie schon kannte, bevor Josie mich angerufen hat.
Ich starre sie an und ringe um Worte, aber zum ersten Mal fällt mir nichts ein. Ihre Silberaugen verdunkeln sich. Und dann geht das Telefon. Ich presse die Augen zusammen und richte mich auf, um in mein Büro zu gehen. „Sorry, Baby, ich muss das annehmen.“
„Was ist es, Crispin?“ Sie spielt nicht mehr. Sie will es wissen. „Was ist das für ein Job, für den du elf Uhr in der Nacht ans Telefon gehen musst?“
Aber die Telefonnummer auf dem Display ist keine der Nummern von der Met. Das ist die Nummer von Club 27.
„Holloway.“
„Crispin.“ Es ist George. Ich kann mich nicht erinnern, dass er mich jemals vorher angerufen hätte. „Bist du beschäftigt?“
„Was geht ab?“
„Es wäre gut, wenn du kommen könntest. In den Club.“
„Wann?“
„Jetzt.“
Das ist surreal. Das hat es noch nie gegeben. Ich bin ein Kunde von George, ein Mitglied seines Clubs, ich bezahle e i nen Jahresbeitrag, um die Einrichtung für meine Bedürfnisse nutzen zu können. Es gibt keinen Grund, mich aufzufordern, in den Club zu kommen. „Warum?“, frage ich.
„Es gab einen Unfall. Michaela ist verletzt. Ich glaube, es w ä re gut, wenn du hier wärest, für sie.“
„Ich bin gleich da.“
Amber
Crispins Gesicht ist aschfahl, als er aus seinem Büro kommt. Sofort stehe ich auf und gehe zu ihm.
„Ich muss gehen.“
Nur das. Keine weitere Erklärung. Seine Kieferknochen ma h len, die Lippen nur noch eine dünne Linie.
„Ist etwas Schlimmes passiert? In der Arbeit?“
Er schüttelt den Kopf, greift schon nach seinem Schal, nicht nach dem weißen, sondern dem tannengrünen. Die dunkle Farbe betont die Blässe, die plötzlich von seinem Gesicht B e sitz
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