Amber Rain
will es noch.
„Nun gute Nacht! So süß ist Trennungswehe,
Ich rief wohl gute Nacht, bis ich den Morgen sähe.“
Meine Lippen haben Mühe, die Worte auszusprechen. Nichts ist süß an meinem Trennungsschmerz. Er gehört nicht zu der Art von Schmerz, die zu etwas Großem gehört, etwas Wu n derbaren. Er ist ein Schmerz, der bleibt und brennt und schrecklich ist.
Hektische Schritte im Nebenraum, irgendwo klappt eine Tür, ich fahre zusammen, sehe mich um, Schweiß bricht mir aus, kalt und klamm. Nicht. Nicht jetzt. Bitte nicht jetzt. Wieder bin ich dran. Ich greife mir an die Brust, wo die Liebe tobt und das Feuer des Verlustes. „Gib Liebe Kraft mir! Kraft wird Hülfe leihen!“ In einem Flüstern verlassen die Worte meine Lippen.
Ich kann nicht mehr. Ich warte nicht auf die Reaktion von Celia, schnappe nach meiner Handtasche und renne davon. Ich laufe nach Hause. Laufe davon vor meiner eigenen Unfähi g keit, die richtigen Worte zu finden für den Mann, den ich liebe. In meinem Kopf sind Zehntausende Verse berühmter Dichter. Ich kann Liebe formen und Vergebung. Ich kann Freude bri n gen und Hass. Aber zu sagen, dass ich einen Fehler gemacht habe, dass ich ihn weiter lieben will, einfach nur so, dazu re i chen diese Worte nicht.
Crispin
Ich hatte nicht vor, an diesem Sonntag in den Club zu gehen. Ich schiebe meine Entscheidung, gänzlich aus der Gemei n schaft auszutreten, seit Tagen vor mir her. Ich müsste George anrufen, mehr braucht es nicht. Mein Jahresbeitrag verfällt, aber das ist das kleinste Übel.
Es war ein Anruf von Michaela, der mich heute hierher g e bracht hat. Emily hat gestern um zwei Uhr am Nachmittag eine gesunde Tochter zur Welt gebracht. Für mich ist das noch la n ge kein Grund, dort gleich am Tag danach aufzutauchen. Ein Blumenstrauß und eine Grußkarte hätten genügt. Aber Micha e la hat mich gebeten, mich dort mit ihr zu treffen. Das Baby anzusehen und den Eltern zu gratulieren und miteinander zu reden.
Ich starre auf ein knapp vierundzwanzig Stunden altes menschliches Wesen hinunter, das in seliger Ignoranz darüber, von was für Menschen es umgeben ist, schläft. Und neben M i chaela, die vor drei Tagen das Krankenhaus verlassen und i m mer noch ein blaues Auge hat, steht eine kleine Asiatin, die ich hier noch nie gesehen habe, und ich weiß genau, was das zu bedeuten hat.
„Gehen wir an die Bar?“, fragt Michaela und hakt sich bei mir unter. Es ist Mittagszeit. Ich trinke um diese Zeit nicht. Aber nun bin ich hier, und ich kann nicht einfach gleich wieder verschwinden. Ich lasse mir einen doppelten Espresso geben und warte, dass Michaela mit der Sprache herausrückt, damit ich ablehnen kann.
„Ich möchte dir gern eine Freundin vorstellen“, sagt sie und nippt an ihrem Cocktail, irgendwas Grünes, Alkoholfreies. „Das ist Jessie. Jessica. Wir waren zusammen auf der High School.“
„Rück einfach raus damit, Michaela“, sage ich, nachdem ich Jessica zugenickt habe.
Sie seufzt. „Jessica würde gern mit dir diese Show machen.“
„Ja, das dachte ich mir bereits, aber wie kommst du darauf, dass ich das auch möchte?“
„Du hast zugesagt. Es ist nicht deine Art, eine Zusage z u rückzuziehen. George zählt auf dich. Der Club zählt auf dich. Hey, komm schon, tu uns allen einen Gefallen.“ Sie schiebt Jessica einen Schritt näher. „Sieh sie dir an, sie wird sensationell aussehen.“
Nein, das wird sie nicht. Ich meine, sie ist süß, sie ist nicht besonders groß und hat deutlich mehr Fleisch auf den Rippen und den Schenkeln als andere Models, was sehr interessantes Arbeiten sein kann, weil die Seile tief einschneiden und das E r gebnis großartig wirkt, aber sie wird nicht sensationell auss e hen. Dieser Terminus ist vergeben.
Allerdings wäre es gelogen, zu behaupten, dass ich nicht in der richtigen Stimmung bin. Mit all dem, womit ich mich im Verlauf der Woche konfrontiert gesehen habe, gab es selten einen Zeitpunkt, in dem ich mehr in der Stimmung gewesen wäre als jetzt. Aggressionen haben sich aufgebaut, ebenso wie Trauer und Verlust, all das hat sich vermischt zu einem Coc k tail, der ganz schnell hochgehen könnte, wenn ich nicht den Deckel vom Topf hochhebe und den Dampf entweichen lasse.
Michaela kennt mich besser als die meisten Menschen. Sie ist eine der wenigen Frauen, mit denen ich eine Beziehung hatte. Sie weiß, wie ich ticke, und sie kennt die Knöpfe, die sie dr ü cken muss. Alles, was sie tun muss, ist, meine Mimik zu b e
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