Amber Rain
als einen außergewöhnlich guten Vertreter Ihres Berufsstandes zu profilieren“, werde ich gerügt. Wie eine Stichflamme steigt erneut Wut in mir hoch, aber Green ist schneller als ich.
„Dr. Holloway ist ein außergewöhnlicher Vertreter unseres Berufsstandes“, sagt er. „Seine Gutachten sind generell auf den Punkt, seine Einschätzungen sachlich und genau, er besitzt die Fähigkeit, auf seine Patienten auf eine einzigartige Weise zuz u gehen und ihnen genau das zu entlocken, was im gegebenen Moment wichtig ist. Er ist eine Bereicherung für das Fachg e biet der Neurologie.“
Green ist ein Mann jenseits der Sechzig, der nie negativ au f gefallen ist, der eine Institution in der medizinischen Gemei n schaft ist. Einer, auf den gehört wird. Sein Statement ve r schließt Münder. Sogar in diesem Raum. Der Mann, der den Projektor eingeschaltet hat, lässt die Bilder endlich von der Wand verschwinden. Ich unterdrücke ein Aufatmen.
„Wir erwarten in den nächsten Tagen ein unabhängiges Gu t achten über Miss Amber Nicholas“, sagt einer, der die ganze Zeit noch nicht den Mund aufgemacht hat. „Sowohl über ihren psychischen, als auch ihren physischen Gesundheitszustand. Bis dieses Gutachten vorliegt, vertagen wir uns. Bis eine En t scheidung unsererseits gefällt wurde, sind Sie, Dr. Holloway, vom Dienst suspendiert. Wir raten Ihnen dringend, sich aus allen medizinischen Belangen herauszuhalten. Ihr Wirkung s kreis wird davon informiert. Da sie keiner Klinik fest angeh ö ren …“ Der Rest geht unter. Ich habe damit gerechnet. Sie verbieten mir meine Arbeit. Das ist nichts, was mich sch o ckiert. Ich habe immer gewusst, wenn meine privaten Neigu n gen ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden, würde es schwer sein, meinen Beruf zu behalten. Ich habe, nach allem, was diese Menschen hier nun von mir und Amber zu wissen glauben, gegen das Gesetz verstoßen. Körperverletzung. Ihre Einwilligung ist irrelevant. Doch was mich wirklich schockiert, was mich unendlich traurig stimmt, ist dieses Gutachten, zu dem sie Amber zwingen wollen. Nach allem, was sie durchg e macht hat. Nach dieser schweren Krise. Sie ist krank, und diese Leute, nur um mir den Boden unter den Füßen wegzuziehen, werden sie nicht respektieren, werden ihr Schaden zufügen und werden ihr ganz bestimmt nicht helfen, wenn sie sie zwingen, sich erneut demütigenden Untersuchungen zu unterziehen. Nur, damit ich, vielleicht, vor der Ethikkommission freigespr o chen werde.
Ich werde das nicht zulassen. Mein Blick fängt den von Green. Der einzige Mensch in diesem Raum, von dem ich glaube, dass er mich verstanden hat. Er nickt kaum merklich. Das ist eine Sache zwischen ihm und mir.
Mir geht es nicht um mich. Das ist es, was mich von diesen Leuten auf der anderen Seite des Tisches unterscheidet. Mir geht es um Amber. Nur sie ist wichtig. Ich werde damit fertig. Amber nicht.
14
Amber
Das ganze Ensemble der IAG war sich einig, die heutige Probe nicht auf einem der Plätze, an denen wir im September auftr e ten wollen, stattfinden zu lassen, sondern wieder in dem kle i nen Café, in dem auch schon das erste Casting stattfand. Sie machen das mir zuliebe. Charly wollte mir nicht sagen, was sie Celia alles erzählt hat, aber aus meiner Agoraphobie mache ich kein Geheimnis. Habe ich nie gemacht und werde es auch nicht in Zukunft tun. Früher, da hat es mich mit Peinlichkeit erfüllt, wenn Menschen ihre Pläne ändern mussten, wegen dem, was ich bin. Heute kann ich mich einfach über die Geste von Celia und den anderen freuen.
Ich betrete den kleinen, abgetrennten Raum im Café Co n certo in der Shaftesbury Avenue. Okay, ich gebe zu, ich habe den Piccadilly Circus gemieden, als ich aus der U-Bahn gesti e gen bin. Vermeidungsstrategie würden es vielleicht die einen nennen. Ich nenne es Vernunft. Ich kenne meine Limits und achte darauf, dass ich sie nicht übertrete. Etwas, das mich Cri s pin gelehrt hat.
Crispin.
Crispin.
Die Wut ist verraucht. Zumindest das Meiste davon. Ein w e nig ist noch übrig geblieben von der erbitterten Flamme des Verrats, und ich achte darauf, sie anzufachen, wann immer sie droht zu verglühen. Es ist nicht, weil ich ihm nicht vergeben will oder kann. Es ist, weil sie mich lebendig hält. Solange ich das Feuer fühle, so lange weiß ich, dass nicht alles eine Einbi l dung war. Dass er keine Einbildung war. Er hat nicht geschri e ben, dass er mich zurück will, in seinem Brief. Natürlich habe ich ihn doch
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