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Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts

Titel: Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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hatte hier einmal angerufen und einmal eingebrochen. Wieso S wußte, daß ich hier war, tat nichts zur Sache. Es war das Haus eines Freundes, und obwohl es mir nichts ausmachte, einige meiner Probleme mit Freunden zu teilen, gefiel mir der Gedanke nicht, daß ich sie einer Gefahr aussetzte. Aber schließlich war jetzt hellichter Tag, und das Treffen war für heute abend angesetzt. Es würde nicht mehr lange dauern, bis irgendeine Entscheidung fallen würde. Es wäre beinahe töricht gewesen, zu diesem Zeitpunkt abzureisen. Tatsächlich wäre es vielleicht sogar besser gewesen, bis dahin hierzubleiben. Ich konnte die Dinge im Auge behalten, konnte Bill schützen, wenn heute irgend etwas auftauchen sollte...
    Plötzlich überkam mich die Vision, daß jemand mit vorgehaltener Waffe Bill gezwungen hatte, diese Notiz zu schreiben, und ihn dann als Geisel verschleppte, um mich zu zwingen, Fragen zu beantworten.
    Ich eilte in die Küche zurück und rief in seinem Büro an. Horace Crayper, sein Sekretär, nahm beim zweiten Klingelton ab.
    »Hallo, hier ist Merle Corey«, sagte ich. »Ist Mister Roth im Büro?«
    »Ja«, antwortete er, »aber er hat gerade eine Besprechung mit einem Klienten. Soll er Sie zurückrufen?«
    »Nein, so wichtig ist es nicht«, sagte ich. »Ich sehe ihn ohnehin später. Stören Sie ihn nicht. Danke.«
    Ich goß mir noch mal eine Tasse Kaffee ein und kehrte auf die Veranda zurück. Solche Situationen waren nicht gut für die Nerven. Ich beschloß, daß ich abreisen würde, wenn heute abend nicht alle Unklarheiten beseitigt wären.
    Eine Gestalt bog um die Hausecke.
    »Hallo, Merle.«
    Es war George Hansen. Frakir gab mir einen winzigen Anstoß, als ob sie zu einer Warnung ansetzte und es sich dann anders überlegt hätte. Zwiegespalten. Ungewöhnlich.
    »Hallo, George. Wie geht's?«
    »Ganz gut. Ist Mister Roth zu Hause?«
    »Leider nicht. Er mußte für ein paar Stunden in die Stadt. Ich denke, er wird so gegen Mittag oder kurz danach zurückkommen.«
    »Oh. Vor ein paar Tagen hat er mich gebeten, mal vorbeizukommen, wenn ich Zeit hätte; es geht um irgendeine Arbeit, die ich für ihn machen soll.«
    Er kam näher, stellte einen Fuß auf die Treppe.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Da kann ich Ihnen nicht helfen. Er hat mir nichts davon erzählt. Am besten kommen Sie später noch mal wieder.«
    Er nickte, wickelte die Zigarettenpackung aus seinem Ärmel, schüttelte eine heraus und wickelte die Packung wieder in den Hemdärmel. Heute trug er ein Pink-Floyd-T-Shirt.
    »Wie gefällt Ihnen Ihr Aufenthalt hier?« fragte er.
    »Echt gut. Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«
    »Wenn es keine Umstände macht.«
    Ich erhob mich und ging ins Haus.
    »Mit etwas Milch und Zucker!« rief er mir hinterher.
    Ich machte ihm eine Tasse zurecht, und als ich damit zurückkam, hatte er es sich in dem zweiten Sessel auf der Veranda bequem gemacht.
    »Danke.«
    Nachdem er ihn gekostet hatte, sagte er: »Ich weiß, daß Ihr Dad Carl heißt, auch wenn Mr. Roth Sam gesagt hat. Sein Gedächtnis ist, scheint's, ausgerutscht.«
    »Oder seine Zunge«, sagte ich.
    Er lächelte.
    Was war nur so sonderbar an der Art, wie er sprach? Seine Stimme hätte beinahe jene sein können, die ich am Abend zuvor am Telefon gehört hatte, obwohl die des Anrufers sehr beherrscht und so gemäßigt war, daß jegliche Spracheigenarten neutralisiert waren. Es war nicht die Ähnlichkeit, die mich beunruhigte.
    »Er war pensionierter Offizier, stimmt's? Und so was wie ein Regierungsberater?«
    »Ja.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Er ist viel auf Reisen - im Ausland.«
    »Werden Sie ihn während Ihrer eigenen Reise treffen?«
    »Das hoffe ich.«
    »Das wird schön sein«, sagte er, woraufhin er an seiner Zigarette zog und einen weiteren Schluck Kaffee trank. »Ah, das tut gut!«
    »Ich kann mich gar nicht erinnern, Sie mal hier in der Gegend gesehen zu haben«, sagte er plötzlich. »Haben Sie denn jemals bei Ihrem Vater gewohnt?«
    »Nein, ich bin bei meiner Mutter und anderen Verwandten auf gewachsen.«
    »Ziemlich weit weg von hier, was?«
    Ich nickte. »Im Ausland.«
    »Wie hieß sie?«
    Beinahe hätte ich es ihm gesagt. Ich weiß nicht genau warum. Doch ich veränderte ihren Namen in >Dorothee<, bevor ich ihn aussprach.
    Ich warf ihm rechtzeitig einen Blick zu, um zu sehen, wie er die Lippen kräuselte. Er hatte mein Gesicht eindringlich beobachtet, während ich gesprochen hatte.
    »Warum fragen Sie?« sagte ich.
    »Aus keinem besonderen Grund.

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