Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts
du, was eine absolute Monarchie ist«, erklärte sie, an Bill gewandt. »Du siehst, wie die Macht den Menschen verdirbt.«
»Ich war schon verdorben, bevor ich Macht besaß«, sagte Random, »und Reichtum plus Macht ist noch besser. Du hast meine Erlaubnis, dich zu entfernen, Schwester.«
Sie schnaubte durch die Nase und führte Bill weg.
»Es ist hier immer etwas ruhiger, wenn sie irgendwo weit weg im Schatten einen Liebhaber findet«, bemerkte Random. »Leider hat sie diesmal den größten Teil des Jahres zu Hause verbracht.«
Ich zischte durch die Zähne.
Er deutete auf einen Sessel, und ich nahm darin Platz. Dann ging er quer durch den Raum zu einem Schrank.
»Wein?« fragte er.
»Wenn es dir nichts ausmacht, ja.«
Er füllte zwei Gläser, brachte mir eines und setzte sich in einen Sessel links von mir; zwischen uns stand ein kleiner Tisch.
»Außerdem hat jemand auf Bleys geschossen«, sagte er, »heute nachmittag, in einem anderen Schatten. Er wurde ebenfalls getroffen, aber nicht so schlimm. Der Schütze ist entwischt. Bleys war in diplomatischer Mission zu einem freundlich gesinnten Königreich unterwegs.«
»Glaubst du, es war jedesmal derselbe Täter?«
»Bestimmt. Wir hatten in dieser Gegend noch niemals Schießereien mit Feuerwaffen. Und dann plötzlich gleich zweimal? Es muß sich um ein und dieselbe Person handeln. Oder um dieselbe Verschwörung.«
»Irgendwelche Hinweise?«
Er schüttelte den Kopf und kostete den Wein.
»Ich wollte allein mit dir reden«, sagte er dann, »bevor sich irgend jemand von den anderen an dich heranmacht. Es gibt zwei Dinge, über die ich dich unbedingt informieren möchte.«
Ich trank einen Schluck Wein und wartete.
»Erstens sollst du wissen, daß mir das alles wirklich angst macht. Nach dem Mordversuch an Bleys kann man nicht mehr annehmen, daß es lediglich um eine persönliche Auseinandersetzung geht, die Caine betrifft. Jemand scheint es auf uns abgesehen zu haben -oder zumindest auf einige von uns. Und jetzt sagst du, daß auch jemand hinter dir her ist.«
»Ich weiß nicht, ob da ein Zusammenhang besteht...«
»Nun, das weiß ich ebensowenig. Doch mir gefällt das mögliche Muster nicht, dessen Entwicklung ich da sehe. Meine schlimmste Befürchtung ist, daß einer oder mehrere von uns dahinterstecken könnten.«
»Warum?«
Er starrte finster in sein Weinglas.
»Seit Jahrhunderten ist die persönliche Blutrache unsere Methode, Unstimmigkeiten zu bereinigen, was nicht notwendigerweise den Tod zur Folge haben muß - obwohl diese Möglichkeit stets einbezogen wurde -, was jedoch sicherlich durch Intrigen gekennzeichnet war, die darauf abzielten, den anderen zu verunglimpfen, zu übervorteilen, zum Krüppel zu machen oder zu vertreiben und die eigene Position zu stärken. Dieses Vorgehen erreichte seinen letzten Höhepunkt bei dem Streit um die Nachfolge. Ich war jedoch der Ansicht, daß das Ganze einigermaßen endgültig erledigt sei, als mir schließlich die Stellung in den Schoß fiel, um die ich mich gewiß nicht gerissen habe. Ich brauchte dafür nie so richtig das Messer zu wetzen, und ich versuchte, gerecht zu sein. Ich weiß, wie empfindlich die Leute hier sind. Ich glaube jedoch nicht, daß es um mich geht, und ich glaube ebensowenig, daß es um die Nachfolge geht. Keiner der anderen begegnete mir mit ausgesprochener Feindseligkeit, und ich hatte den Eindruck, daß alle zu dem Schluß gekommen waren, ich sei das kleinste von allen möglichen Übeln, und daß sie sogar zur Zusammenarbeit bereit waren, um der Sache einen Dienst zu erweisen. Nein, ich glaube, niemand von den anderen ist unbesonnen genug, um nach meiner Krone zu trachten. Ich spürte sogar so etwas wie Freundschaft und guten Willen, nachdem die Thronfolge geklärt war. Jetzt frage ich mich jedoch, ob das alte Muster vielleicht neu entsteht - indem einige der anderen das alte Spiel wiederaufgenommen haben, um persönliche Mißliebigkeiten zu beseitigen. Mir gefällt ganz und gar nicht, was sich da so abspielt - alle die Verdächtigungen, Vorsichtsmaßnahmen, versteckten Andeutungen, das Mißtrauen und die Falschheit. Es schwächt uns, und wir sehen uns ständig der einen oder anderen Bedrohung ausgesetzt, der wir stark gegebenübertreten sollten. Ich habe mit jedem einzelnen unter vier Augen gesprochen, aber natürlich streiten sie alle ab, irgend etwas von gegenwärtigen Verschwörungen, Intrigen und Blutrache zu wissen, aber mir ist ihr Mißtrauen gegeneinander nicht entgangen.
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