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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Skeptiker; mich interessiert, wie Menschen Beobachtungen machen, diese interpretieren und daraus eine eigene Weltsicht ableiten, auf der dann wiederum die Theoriegebäude Dritter wuchern und wachsen können. Von da ist ja nur noch ein kleiner Schritt zum Erschaffen eines Erlösers. Erst pusselt man sich etwas zusammen, an das man glaubt, dann kreiert man das dazugehörige Denkgebäude. Aber mit was gibt man sich eigentlich die ganze Zeit über ab? Denken Sie nur an die Getreidekreise in Großbritannien. Da existiert ein Phänomen im Pflanzenreich, für das sich möglicherweise zahlreiche natürliche Erklärungen finden lassen. Aber wenn man es schafft, die Sache nur noch mit einer gigantischen UFO-Theorie in Zusammenhang zu bringen, wie die dauernd starten, wie die dauernd landen, dann muß man sich auch damit auseinandersetzen, wie z.B. deren Zivilisation ausschaut. Und schon sind wir vollautomatisch mittenmang in einem Fall von ausgesuchtester Narretei.
    So was nenne ich gerne ›Von hinten durchs Knie in die Womack-Welt‹, wo alles bis zu einem bestimmten Grad ganz vernünftig erscheint, aber auf einen Schlag die reine Verwirrung Platz greift und Widersinn regiert. An diesen Schnittstellen geraten meine Charaktere meist in Schwierigkeiten: Sie nehmen wahr, was um sie herum passiert, erklären sich die Vorgänge jedoch auf ihre eigene Weise, die nicht unbedingt die der Situation angemessenste sein muß. Da hätten wir eh schon ein menschliches Grundproblem: Wir sehen etwas und reinterpretieren es fälschlicherweise nach unseren Wünschen. Die Methoden, die wir dabei anwenden, die Resultate, die eine solche Vorgehensweise nach sich zieht, sind für einen wie mich endlose Quellen der Freude. Und natürlich Rohmaterial.
     
    F: Was ein Blick auf Ihr Wohnzimmer mit seinen deckenhohen Bücherregalen und seiner Bibliothek der menschlichen Irrungen verdeutlicht …
     
    A: Die Womack-Sammlung, ja, bestehend aus zwei Abteilungen: ›Menschliches, allzu Menschliches‹ und ›Jenseits von Sinn und Verstand‹. Bücher über Psychopathologie, Morde, Kannibalismus, Mißbildungen, Seeungeheuer, Geisterbäume, dazu natürlich eine mehr als ausführliche Sektion mit UFO-Literatur aus den 50er Jahren und die Werke des Charles Fort, Verschwörungstheorien, gerichtsmedizinische Standardwerke und Bücher über Erkrankungen mal des Geistes, mal des Körpers. Alles halt, was das Wundersame in dieser Welt sichtbar werden läßt …
     
    F: Gibt es eine Geistesverwandtschaft mit manch einem dieser seltsamen Menschen?
     
    A: Nicht wirklich. Ich würde bei den meisten Personen eine unterstellte Geistesverwandtschaft sogar strikt ablehnen. Aber es fasziniert mich, sie zu studieren, herauszufinden, woher sie kommen, und zu erkennen, womit sie eigentlich auskommen müssen. Über den Kennedy-Mord gibt es beispielsweise ein Buch mit dem Titel ›Best Evidence‹. Es greift ein paar vage Sätze aus dem Warren Report auf und konstruiert daraus eine ausufernde Theorie über die Wahrscheinlichkeit, daß Kennedys Leiche irgendwo zwischen Dallas und Washington aus dem Sarg entfernt worden sei. Dann habe man mit Kennedy irgend etwas angestellt und ihn wieder in den Sarg zurückexpediert. Dafür braucht der Autor auch noch wahnsinnig lange.
    Als ich einmal eine Liste meiner Lieblingsbücher zusammenstellen mußte, war ›Best Evidence‹ darunter. Ich nannte es damals ›das Robot-Ungeheuer unter den Kennedy-Mordtheorien‹. Es greift sich ein paar Sätze heraus, die alles bedeuten können und baut um diese Äußerungen herum eine wundervoll komplexe Welt. Aber ist was dran? Wohl kaum, aber das Konstrukt ist wunderschön. Es ist die Perle, die sich um eine Verunreinigung in der Muschel bildet.
     
    F: Sie schreiben nur selten Kurzgeschichten, selbst die quasi nur auf Bestellung. Liegt Ihnen die lange Form des Romans mehr?
     
    A: Daran liegt es nicht, es ist viel pragmatischer: Für meine Arbeit steht mir nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung. Entscheide ich mich für eine Kurzgeschichte, muß das Konzept schon mal schärfer ausgearbeitet sein als bei einem Romanvorhaben, wobei ich dazu neige, aus einem breiteren Feld der Möglichkeiten heraus zu schreiben und mich treiben zu lassen. Die Kurzgeschichte zwingt mich sofort zur Eingrenzung, also in eine literarische Situation, die ich nicht mag. Am Schluß war die Story dann genauso viel Aufwand wie zwei Kapitel eines Romans. Da ich gewohnheitsmäßig unter Termindruck arbeite, weil sonst meine Romane

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