Ambient 02 - Heidern
Wenn bloß Lori schon wieder da wäre. Sie ist die einzige, die diese Mädchen zum Mundhalten bringen kann, wenn sie sich wie Babies aufführen, ohne sie gleich zu verprügeln. Nächste Woche ist es angeblich so weit. Vielleicht hilft sie mir ja dann, die Sache wieder geradezubiegen.
Wie auch immer, das also ist passiert, deswegen konnte ich dir nicht früher schreiben. Pappi ist immer noch nicht da. Obwohl Excelsior um Mitternacht schließt, muß er noch eine Stunde länger bleiben, bis sie fertig sind mit der Fußbodenpflege. Dann dauert es immer noch eine halbe Stunde, bis er daheim ist, aber nur, falls die U-Bahn einmal pünktlich kommen sollte, was um diese Zeit fast nie der Fall ist.
Froh bin ich, daß heute Freitag ist. Ich konnte es schon nie ausstehen, wenn sie sich anderen Mädchen gegenüber so verhalten haben. Und jetzt bin eben ich dran. Weiß nicht, warum die so sind.
11. April
Noch vor Mittag hatte es heute schon an die 30 Grad, und es war so schwül, daß alles tropfnaß war wie ein Schwamm. Außerdem hatte alles den Geruch von verrottendem Müll, wie immer, wenn es Sommer wird in New York. Ich mag ja den Sommer, aber nur, wenn ich ihn nicht in New York verbringen muß. Wenn es so schwül wird, und das wird es ja immer, habe ich einen feuchten Nacken und muß mir zweimal am Tag die Haare waschen, weil sie sich sonst wie fetter Schinken anfühlen. Sie werden dermaßen fettig …
Nachdem Pappi um halb elf das Haus verlassen hatte, ging ich auch hinunter. Mama mußte neue Manuskripte lesen, und Boob sah sich Trickfilme an. Wir hatten alle bis zehn geschlafen, weil Wochenende ist und bei uns keiner aus dem Bett kommt, wenn er nicht muß, besonders bei der Hitze. Ich wollte mich nicht schlecht fühlen, also zog ich nur Sandalen an und ein Muscle-Shirt und alte, abgeschnittene Jeans. »Schnuckel, wohin gehst du?« fragte Mama.
»Bloß raus.«
»Die bösen Jungs werden dir nachpfeifen, mein Engelchen, weil du so zum Anbeißen aussiehst.«
»Es geht mir nicht ums Anbeißen, sondern um die Hitze draußen.«
»Sei vorsichtig, Kleines. Verhalte dich nicht zu auffällig.«
»Mach ich nicht.«
Draußen herrschte Betrieb wie auf einer Party, weil jeder vor die Tür gegangen war. Der Hausmeister und ein paar seiner Freunde hatten einen Kartentisch aufgestellt und spielten Domino. Einige der älteren Frauen, die über uns wohnen, lehnten an den Straßenlaternen und ratschten. An der Ecke zum Broadway hingen ein paar hispanische Jungs herum. Alle trugen sie Käppis und Football-Trikots, die ihnen bis zu den Knien reichten. Sie waren etwas älter als ich, was heißt, sie sind im schlimmsten vorstellbaren Alter. Sie halten sich für starke Männer, aber dürfen noch nicht autofahren. Ich wollte auf die andere Seite des Broadway und auf der Columbia-Seite gehen, aber die Ampel war rot, und ich hasse es doch, warten zu müssen. Das war der Moment, in dem sie mich sahen und auf mich losgingen.
Anne, die fingen an, auf mich einzupalavern wie Paviane, lauter he, Puppe, he Puppe, he du. »Was bin ich beeindruckt«, knurrte ich. Rückblickend habe ich sie damit nur angestachelt. Sie lachten und nannten mich Culo. Wie ich dir schon erklärt habe, ist das ein so richtig schmutziges Wort auf spanisch, genauso schlimm wie die richtig schlimmen englischen Ausdrücke, so ›fuck‹ oder ›cunt‹. Einer der größten Jungs ging zu mir her. Er glaubt sicher, er lasse sich gerade einen Schnurrbart stehen. Es sieht aber eher so aus, als hätte er Kohle gefressen. Er trug ein Stöckchen, aber hatte kein lahmes Bein. Das Spazierstöckchen schwang er durch die Luft, als wolle er jemanden damit schlagen, was er aber nicht tat. Er packte mich am Arm und sagte Yo Herzchen, darf ich dir über die Straße und zu mir nach Hause helfen. »Laß los!« Ich wollte ihn nicht anschauen und riß mich los. Da kamen seine Freunde auch noch an. Als ich losgehen und über die Straße wollte, hielt mich der Große am Randstein zurück.
Warum redest du nicht mit uns, wollte er wissen. Ein anderer sagte, die hält sich für zu gut für uns. Dabei könnte sie durchaus zu was gut sein, sagte ein weiterer. »Ich möchte nur nicht mit Jungs zusammen sein«, antwortete ich wahrheitsgemäß. Du ziehst dich aber an, als wolltest du das, Baby. Was haben wir denn da? fragte wieder der Große und faßte mich an den Hintern. Ein anderer, dem vorne ein Zahn fehlt, steckte seine Hand unter mein T-Shirt. Einige der Männer vor dem Haus redeten spanisch
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