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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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noch einen Tobsuchtsanfall erleiden würde, aber er überprüfte nur die Bücher. An der Warenausgabe wies ein Kunde den Kassierer darauf hin, daß im Ladeninneren ein Irrer sei, der Bücher nach Kunden werfe und dabei brülle. »Das ist der Besitzer, gnä' Frau«, erwiderte der Mann. »Ach, leckt mich alle im Arsch«, beschied der Kunde den Kassierer und marschierte zum Ausgang, aber er bewegte sich so schnell, daß die Wachen ihn wohl für einen Ladendieb hielten und ihn deshalb zu Boden warfen.
    Die Fahrt nach Hause war genauso furchtbar und sogar noch etwas furchteinflößender. Es war Stoßzeit. Die U-Bahn war so voll, daß man kaum atmen konnte. Ich hatte einen Sitzplatz, Boob war auf meinem Schoß, und Mama stand vor uns und klammerte sich an die Haltestange. Zwischen 66. und 72. Straße blieb die Bahn im Tunnel stehen. Die Notbeleuchtung ging an, und die Klimaanlage fiel aus. Der Fahrer machte eine Durchsage, aber die Lautsprecher waren kaputt. Es klang, als spreche er im Innern einer Trommel. Mit einem Mal wurde es grabesstill im Zug, wie immer, wenn er auf offener Strecke stehenbleibt. Plötzlich zischte eine Frau: »Passen Sie auf Ihre Füße auf!« und ein Mann erwiderte, sie solle selber aufpassen. »Sie sollen gefälligst aufpassen«, keifte wieder die Frau, und der Mann schimpfte, seine Füße wären nicht im Weg, sondern der Kinderwagen. »Mein Baby hat Sie nicht zu stören!« war die Frau an der Reihe und dann wieder er, Scheiße, das tue es doch. Sie beschimpften sich in einem fort und wurden immer lauter dabei. »Bitte etwas leiser«, forderte eine Dame. Der Mann sagte, sie könne ihn auch mal. »Reden Sie gefälligst nicht so mit mir, Sie Blödmann!« Darauf fingen viele Leute an, »Nicht, nicht!« zu rufen und die Menge in unserer Hälfte des Abteils drückte nach hinten, als würde sie geschoben. Fast fürchtete ich, Mama würde auf uns drauffallen. Der Wagen war so voll, daß Boob und ich nicht sehen konnten, was eigentlich vorging. »Er hat angefangen«, hörten wir die Stimme der Dame, dann forderten plötzlich alle: »Bleiben Sie cool! Bleiben Sie cool!« Das Handgemenge hörte auf, einige murmelten noch etwas, dann war es wieder völlig still. Plötzlich fing die zweite Frau wieder an: »Sie dummes Arschgesicht!« Die Leute fingen richtig laut an zu schreien und drückten wieder in unsere Wagenhälfte, als wollten sie mit Gewalt durch die Fenster hinaus. Alle kreischten: »Nein, nicht!« Das muß geholfen haben, weil nichts geschah. Dann sprangen Beleuchtung und Klimaanlage wieder an, und der Zug setzte eine Minute später seine Fahrt fort. Als er an der 72. hielt, stieg gut die Hälfte der Leute aus unserem Wagen aus, und es blieb totenstill, daher glaube ich, daß die Streitenden auch ausgestiegen waren. Mama war bleich und sah müde aus; Boob sagte kein Sterbenswörtchen, daher weiß ich, daß sie wirklich Angst hatte.
    Was für ein furchtbarer Tag, Anne. Ich habe keine Lust mehr zu schreiben, aber ich mußte dir einfach erzählen, was alles passiert ist, eben weil es so furchtbar war. Boob bewirft mich schon mit Zeugs und verlangt: »Mach das Licht aus, Booz«, also höre ich jetzt auf. Mama hat ein paar Xanax eingeworfen, ist also jetzt im Land der Träume und kann Boob nicht hören, aber wir brauchen auch unseren Schlaf. »Warum läßt sich Pappi diesen Ton von Herrn Mossbacher gefallen?« fragte mich Boob, als wir wieder daheim waren.
    »Weil er den Job behalten will.«
    »Mit mir dürfte keiner so reden!«
    »Mi dir dürfte man auch so reden, wenn du deinen Job unbedingt behalten willst.«
    »Ich suche mir einfach keinen Job!« sagte Boob und: »Pappi sollte ihm mit einer Schaufel den Schädel einschlagen und das Gehirn zerquetschen.«
    »Das Leben ist kein Zeichentrickfilm.«
    »Weiß ich.«
    Pappi kommt frühestens in einer Stunde heim. Gute Nacht, Anne.
     

8. April
    Anne, ich weiß nicht, wieviel ich dir heute nacht schreiben kann. Mir geht es
     

10. April
    Es tut mir leid, Anne, daß ich dir unter der Woche nicht geschrieben habe, aber entweder wollte ich nicht oder konnte nicht. Bis jetzt. Mittwochnacht habe ich es probiert, aber ich war zu müde und in zu schlechter Verfassung. Und wer will ohnehin etwas hören oder lesen von einer, die jeden sofort anschreit wegen etwas, womit diejenigen gar nichts zu tun haben?
    Erinnerst du dich, ich habe dir berichtet, daß Tanya und Susie sich am Montag so komisch aufgeführt haben? Am Dienstag dann wieder. Am Mittwoch beim Essen

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