Ambient 02 - Heidern
fragte ich sie einfach: »Was ist los mit euch beiden?«
»Die Frage muß wohl lauten, was ist los mit dir?«
»Ihr behandelt mich wie Gift.«
»Spinn nicht. Wir benehmen uns normal; du bist diejenige, die sich komisch aufführt«, sagte Tanya. Und Susie: »Seit ihr umgezogen seid, tickst du nicht mehr richtig. Wir finden, du gehörst eingewiesen.« Tanya: »Unbedingt!« Dann fingen sie zu kichern an, als wüßten sie einen Witz über mich, den ich nicht kenne. Ich fragte noch einmal: »Was ist jetzt los?«
»Oh, nichts.«
»Doch, heraus mit der Sprache!« Als ich mich zu ihnen setzen wollte, standen sie auf. »Haben wir dich gebeten, Platz zu nehmen?«
»Wer spinnt jetzt hier?«
»Ach, laß sie doch, Susie. Seit sie oben in der Welt des Crack wohnt, kommt sie einfach von diesen Trips nicht mehr herunter«, entschied Tanya, und sie gingen.
Nach der Schule sah ich Katherine vor dem Gebäude und dachte mir, es sei langsam an der Zeit, über die Nacht bei ihr zu reden. Ich wollte sie geradeheraus fragen, ob ihr Vater mir zugesehen hat, als ich im Bad war. Sie sah mich nicht herankommen, und als ich »Hi!« sagte, sah sie aus, als erscheine ihr ein Gespenst. Ich ging neben ihr her und fragte sie, was los sei. Wie üblich sagte sie »Nichts« und ging weg von mir. Ich hielt sie am Arm zurück, doch sie riß sich los und hob ihre Bücher über den Kopf, als wolle sie mit ihnen nach mir werfen: »Rühr mich nicht an!«
»Warum benimmst du dich so seltsam?«
»Du weißt schon warum. Geh weg!«
»Ich gehe erst, wenn ich weiß, was gespielt wird.«
»Ich schreie um Hilfe, dann wirst du verhaftet!« rief sie und rannte über die Straße und die 83. hinunter.
Danach hörte ich, wie ein paar Mädchen hinter meinem Rücken »verkehrt rum, verkehrt rum, verkehrt rum« sangen. Die Stimmen kannte ich doch. Als ich mich umdrehte, sah ich Susie und, ausgerechnet, Ekel-Betsy. Sie lachten mir ins Gesicht. »Haltet sofort die Klappe!« rief ich, aber sie lachten noch lauter. Da sah ich Boob und ging zu ihr hinüber. »Gehen wir heim, Boob.«
»Heute ist so schönes Wetter. Gehen wir zu Fuß?«
»Wir fahren Bus!«
»Paß bloß auf, sonst bist du als nächste dran!« hörte ich Susie schreien.
»Bei was dran?« fragte Boob.
»Halt einfach deinen Rand und komm mit heim, Boob.«
An der 86. Straße kletterten wir in den Bus, durchquerten den Park und stiegen dann in den Uptown-Bus um. Ständig wollte Boob wissen, was denn mit mir los sei. Schließlich habe ich sie angebrüllt: »Nichts, rein gar nichts, halt den Rand!« Logisch, daß sie jetzt erst recht denken mußte, etwas sei überhaupt nicht in Ordnung, aber sie sah ein, daß sie mich deswegen besser nicht aufziehen sollte. Doch dann entschied sie sich doch, mein Seelenklempner sein zu wollen: »Weißt du, Pappi sagt immer, wenn man nicht über seine Probleme spricht, dann explodiert man irgendwann. Laß es einfach heraus, Booz.«
»Boob, bitte sei still. Ich möchte nicht darüber reden, okay?«
»Ganz wie du willst. Aber du wirst überschnappen und Magengeschwüre kriegen.«
Aber mit Boob wollte ich nicht darüber reden, weil sie es nicht versteht. Mit Mama will ich nicht darüber reden, weil ich nicht weiß, wie sie reagiert. Dir wollte ich alles mitteilen, Anne, aber mittwochs war ich chancenlos. Boob unterbrach mich die ganze Zeit. Wenn ich eine Pause machte, um nachzudenken, was ich dir schreiben soll, rief sie: »Worüber schreibst du, Booz?« Sie hörte einfach nicht auf. Schließlich gab ich auf. Nichts hasse ich mehr, als zu schreiben und immer und immer wieder unterbrochen zu werden. Heute ist Boob sofort weggepennt, also kann ich dir endlich schreiben, was passiert ist. Auch gestern und heute hat keines der Mädchen mit mir gesprochen. Heute früh in der Schule fand ich einen Playboy in meinem Spind; jemand hat ihn durch den Lüftungsschlitz gestopft. Es stand drauf, daß das etwas sei, bei dem es mir kommen wird. Ich warf ihn gleich in den Abfall.
Froh bin ich, daß du ein Schloß hast, Anne. Boob würde versuchen, dich zu lesen, aber so kann sie es nicht.
Katherine hat sich wohl entschlossen, das schlecht zu finden, was wir neulich früh getan haben und hat es den anderen Mädchen erzählt, obwohl sie es schließlich war, die andauernd noch einen Kuß wollte. Die gehen mir auf den Geist mit ihrem Verhalten, so unreif. Es vermittelt mir den Eindruck, wir hätten etwas schrecklich Unrechtes getan, aber ich weiß doch, daß dem nicht so ist. Oder doch?
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