Ambient 02 - Heidern
okay, aber schlauer. Aber was ihr auch noch zustoßen wird, sie verdient es meiner Meinung nach. Pappi findet, Hardy solle erst in der Oberstufe gelesen werden, aber ich bin mir sicher, daß ich das Buch auch dann nicht anders einschätzen würde.
Am Nachmittag machte ich mich auf den Weg, um Iz irgendwo zu finden. Hätte ich bloß ihre Telefonnummer oder sie meine. Da es wieder heiß war heute, waren alle wieder draußen. Die New Yorker sehen so häßlich aus im Sommer; die Kerle rennen in ihren Hemden herum, und fette, alte Frauen tragen die häßlichsten Kleider, die sie haben. Wenigstens trieben sich diese Jungs nicht wieder herum, sondern versuchten woanders, cool zu wirken. Ich entschloß mich, in Richtung ihres Wohnblocks zu gehen und zu schauen, ob ich sie oder Jude oder Weezie irgendwo treffen würde. Gerade wollte ich die Straße an der 125. überqueren, als ich etwas Erstaunliches sah.
Etwa zehn Dutzend Armeelaster, große Jeeps und andere Autos kamen die 125. aus Richtung Osten heran. Sie bogen auf den Broadway ein und fuhren weiter nach Norden, wo die Unruhen waren. Es sah aus wie eine Invasion, Anne, so was habe ich noch nicht gesehen. Keine Ahnung, ob etwas darüber heute abend in den Nachrichten war, aber bis jetzt haben sie ja auch nichts berichtet. Alles blieb stehen, um ihnen zuzusehen und mitzukriegen, wohin sie fuhren. Einige Jungs verwünschten die Kolonne und riefen »Verräter, Verräter«, wenn sie schwarze Soldaten zu Gesicht bekamen. Ich machte es wie alle anderen und glotzte. Als der Aufmarsch aber kein Ende nahm, ging ich doch über die Straße und nach Harlem hinein.
Allzuweit wollte ich nicht mutterseelenallein durch Harlem streifen, aber bis zu Iz' Block hielt ich es für sicher genug. Es schenkte mir eh niemand Beachtung, weil sich alle auf die Armeefahrzeuge konzentrierten. Und wer kam die Straße herunter, die ich gerade hinaufmarschierte, Anne? Iz und Jude und Weezie und noch ein Mädchen, das mir jünger zu sein schien als ich. Das hat mich fast umgehauen, weil es mir so vorkam, als würde ich eine schwangere Boob sehen und keine mit einem umgeschnallten »Foeti«.
Iz winkte, als sie mich sah. »Verrückt gewordn, was? Was suchst du hier oben?«
»Ich habe nach euch gesucht.«
»Gefunden.«
»Was ist hier los?«
»Ne Invasion.« Weezie.
»Grünärsche kommen, uns Harlemiten zu zerquetschen«, kommentierte Jude unter dem Schirm ihrer Baseballmütze hervor.
»Sind die Unruhen vorbei?« Wenn ich nach Norden blickte, sah ich nicht mehr soviel Rauch wie in letzter Zeit.
»Nix. Bringen nur Angst. Wollen sie gegen uns einsetzen.« Jude.
»Hier oben jetzt Sperrstunde. Ab sieben.« Weezie.
»Werdet ihr euch dran halten?«
»Kannst drauf wetten.« Iz.
»Warten. Schauen. Auf wen und wann und wo sie wie oft schießen.« Weezie.
»Und was treibt ihr jetzt?«
»Führen Esther aus. Zu McDs. Soll essn.« Jude.
»Sag ›Hallo‹ zu Lola, Esther«, forderte sie Iz auf. Esther ist doch nicht ganz so jung wie ich dachte, Anne, aber hat höchstens mein Alter. Sie trug eine weite Turnhose und ein übergroßes Hemd, sah aber immer noch so aus, als habe sie einen Basketball verschluckt. Ihre Haut ist so dunkel wie die von Iz; sie hat ein Babyface, von einer Narbe auf der Wange abgesehen. »Wir sin auf Foetus-Patrouille mit Esther. Aufpassn, damit's richtig rausplumpst. Komm doch mit«, forderte mich Iz auf.
Weezie schien das auf die Palme zu bringen, aber sie sagte nichts, also ist mir nicht klar, ob sie wegen mir sauer war. Meiner Meinung nach mag sie mich einfach nicht so wie Iz und Jude das tun. Seit Iz mir das mit dem Messer und dem Aufschlitzen erzählt hat, traue ich ihr nicht mehr ganz. Heute kamen wir uns allerdings nicht in die Quere. Wir gingen zurück zu McDonalds. Sie bestellten sich Big Mäcs. Esther bekam zwei Fischburger, weil sie kein Fleisch ißt. Ich hatte gerade genug Geld für Pommes frites und Cola. Wir setzten uns ans Fenster, um hinaussehen zu können. Es schien uns, als sei der Aufmarsch der Armee-Einheiten abgeschlossen, weil eine Weile nur ziemlich viel Verkehr vorbeifloß. Doch dann erschienen noch größere Armee-Laster und einige Hundertschaften Soldaten marschierten vorbei.
»Schaut nach TTs aus«, sagte Jude.
»Nach was?«
»Truppentransporter. Große Sache.«
»Lola, schleich hier oben nicht mehr rum«, bat Iz. »Gangstas packen dich, ab in ein Autowrack, bumms, bist ein Sieb.«
»Ich würde schreien und davonlaufen, was ich übrigens auch vorige
Weitere Kostenlose Bücher