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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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unsere Kosten für die Reinigung geringhalten, was stimmt. Sie schüttelte aber bloß den Kopf und sagte, daß jeder, dem an seinem Aussehen gelegen wäre, auch das nötige Geld für die Reinigung auftreiben könnte. Man müsse nur wollen. Gestern gab es Mettwurstbrote zum Abendessen, für jeden ein Mettwurstbrot, weil nicht mehr da war, und da sagt die Wisegarver, wir sollten mehr Geld für die Reinigung ausgeben. Aber ich habe nichts gesagt zu ihr, nur, daß ich es meinen Eltern ausrichten werde. Als ich Mama davon erzählte, schüttelte sie den Kopf, mußte aber doch lachen: »O Engelchen, egal wie du aussiehst, wichtig ist nur, daß du gut lernst. Was bringen die dir da in der Schule bloß bei?«
    Die Wisegarver hat mich außerdem darauf hingewiesen, daß sie in letzter Zeit mit meinen Noten sehr unzufrieden sei. Noten? In der einzigen Prüfung in ihrem Kurs seit dem Halbjahreszeugnis habe ich eine 2 minus gehabt. Stimmt, das ist eine Verschlechterung, die mir auch nicht gefällt. Aber man kann einfach nicht lernen, wenn einen Boob dauernd ankeift, daß man das Licht ausmachen soll, wie jetzt gerade. Entschuldige, Anne, ich gehe jetzt in die Küche und schreibe dort weiter. Normalerweise liest Mama dort ihre Korrekturen, weil das Licht am besten ist, aber die ist schon schlafen gegangen.
    So, jetzt bin ich in der Küche und kann weitermachen. Anne, alles ist ein furchtbares Durcheinander. In der Schule bin ich so unglücklich. Eines der Mädchen hat mit einem nichtabwaschbaren Stift ›Kesser Vater‹ an meinen Spind geschrieben. Jedesmal, wenn ich jetzt dort hineinmuß, sticht es mir ins Auge. Alle glotzen, wenn ich vorbeigehe und lachen hinter meinem Rücken. Das weiß ich, weil sie mir ja oft genug direkt ins Gesicht lachen. Wenn mich Katherine auf einem der Gänge kommen sieht, dreht sie sofort um, weil sie mir um jeden Preis aus dem Weg gehen will. Sie hat wohl allen erzählt, daß ich sie vergewaltigt habe oder so was, so wie sie sich alle benehmen, aber dann denke ich mir wieder, daß es vielleicht um etwas ganz anderes geht. Eigentlich kann es ja nichts mit unserem Umzug in dieses Viertel zu tun haben, andererseits: warum nicht? Ich weiß, wie sie über Mädchen wie Iz herziehen, die auf städtische Schulen gehen müssen. Die galten doch nur als hirntoter Menschenmüll. Vielleicht zählen sie mich jetzt auch dazu.
    Heute abend wollte ich mit Mama reden, oder besser, sie fing ein Gespräch mit mir an. Sie hatte Placidyl genommen, weil ihr die Xanax ausgegangen sind und der Arzt ihr meiner Meinung nach keine mehr verschreiben will. Wir können froh sein, daß Pappis Mitgliedschaft im Autorenverband eine Krankenversicherung mit einschließt, sonst müßte sie in die Grube, um sich ihre Drogen zu besorgen. »Was ist los mit dir, Schnuckel? Warum erzählst du es mir nicht?« drang sie auf mich ein, als ich sagte, daß die Schule mich nicht mehr freut.
    »Eine Menge ist los.«
    »Genauer, Schatz, komm schon!«
    »Lori!« brach es aus mir hervor, weil mir das wirklich am meisten im Kopf umgeht.
    »Du meinst, die Art, mit der sie dir aus dem Weg geht? Ich habe dir doch erklärt, daß sie den Menschen, die in solche Lager kommen, die seltsamsten Dinge antun, mit dem inneren Kind spielen und was noch für Unsinn.«
    »Aber sie wirkt, als wäre sie gar nicht da, wenn man mit ihr spricht.«
    »Willst du damit sagen, du redest mit ihr, und sie starrt durch dich hindurch?« Fast wie du manchmal, hätte ich beinahe gesagt. »Was meinen deine Freundinnen dazu, Liebes?« erkundigte sie sich weiter.
    »Nichts.« Ich habe ihr ja nie erzählt, was bei Katherine passiert ist oder wie sich die anderen Mädchen jetzt mir gegenüber verhalten. Seltsam, aber irgendwie habe ich Angst davor, daß sie mich auch ›kesser Vater‹ nennen könnte, was natürlich absurd ist. »Sie benehmen sich auch etwas seltsam, das ist alles.«
    »Liebling, wahrscheinlich sind sie durch Loris merkwürdiges Betragen ähnlich verwirrt wie du.«
    »Ach, wohnten wir doch wieder zu Hause«, entfuhr es mir. Das wollte ich ja auf keinen Fall sagen, aber passiert ist passiert.
    »Wir wissen doch, wie schwer dies alles für dich und Boobie sein muß, aber es dauert schließlich nicht ewig, auf keinen Fall.« Für einen Moment schloß sie die Augen. Fast meinte ich, sie schläft ein. »Auf keinen Fall. Auf gar keinen Fall. Nein, nein, nein.« Anscheinend hatte sie es jetzt oft genug wiederholt, um wieder selbst daran glauben zu können, weil sie anschließend

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