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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Zwei-zum-Preis-für-einen-Big Mäc-Sonderangebot, also haben wir reichlich gegessen. Iz war heute so hübsch, Anne, mit einem schwarzen Kleidchen und schwarzen Lackschuhen und einem schwarzen Band im Haar, das ihre Dreadlocks zusammenhielt, so daß sie ihr den Rücken hinunterhingen. Sie war so gut angezogen, daß ich mir wie eine Pennerin vorkam, weil ich nur meine Jeans und ein altes Hemd anhatte, wie immer halt, wenn ich nicht zur Schule muß.
    Ich wollte wissen, warum sie so aufgetakelt war. Sie hatten einen speziellen Dankgottesdienst in ihrer Kirche für die Ermordung des Präsidenten, und ihre Mutter hat sie gezwungen, sie zu begleiten. Gleich als er vorbei war, hat mich Iz noch von der Kirche aus angerufen und ist heruntergefetzt. »Wirklich kein Grund, an den zu denken. Hat nie was für uns Schwarze getan«, knurrte Iz.
    »Was haben sie bei euerem Dankding gesagt?«
    »Ach, der Prediger hat heiße Luft abgelassen wie sonst immer am Sonntag, weißt schon, unrecht Gut gedeihet nich.«
    »War wer traurig?«
    »Nich mehr als sonst auch.«
    »Mußt du gleich wieder heim?«
    »Bald, aber nich gleich.«
    »Jude gesehen?«
    »Hab Laut gegeben, als ich bei ihr vorbei bin. Aber die pennt entweder oder is nich da. Und in den Klamotten kriech ich nich rum, also konnt ichs nich checken. Mama blieb noch in der Kirche, ne Extrarunde Wehklagen und dann mit den anderen Frauen was essen. Und ich nichts wie weg, Mädel, nichts wie weg.«
    »Was treiben die Soldaten?«
    »Die Grünärsche halten sich n wenig zurück. Seit dem Schießbefehl bleiben die Knarren aber entsichert. Die rechnen mit Schweinereien. Wenns keine gibt, machen sie selber welche.«
    Nach unserem Mahl spazierten wir ein wenig den Broadway hinunter. Sieht so aus, als seien die Columbia und das Barnard auch geschlossen, wenigstens sah man keine Studenten. An der Fassade des Barnard College hing ein Transparent mit der Aufschrift: GEBT DEN SOLDATEN IHR GELD UND SCHICKT SIE HEIM! Weiter unten waren sämtliche Geschäfte verrammelt. Es war schon seltsam, Iz so gut gekleidet daherkommen zu sehen. Die trug ihre Nase so hoch, die muß die ganze Zeit bloß die Wolken gesehen haben!
    »Warum kommt Jude nicht mit ihren Eltern aus?«
    »Jude kommt mit keinem aus.«
    »Haben sie Jude hinausgeworfen?«
    »Gegenseitiger Rausschmiß.«
    »Sie erzählte, daß sie Brüder und Schwestern hat, die aber fort sind.«
    »Jude hat drei Brüder. Die zwei ältesten gingen zum 43. und stecken jetzt auf Long Island fest. Wahrscheinlich hin. Und Frederick hat n Bodega-Wirt in der Bronx erschossn, als er was mitgehn lassn wollte. Gloria, ihre Schwester, hat im März der Crack-Teufel geholt.«
    »Wie traurig.« Iz nickte.
    Wir gingen die 106. zum Riverside Drive hinüber und dann zurück. Außer Obdachlosen war keiner auf den Straßen. Kein Verkehr, Busse kamen höchstens alle 15 Minuten vorbei. Es war ruhiger als an Weihnachten und – schißhochdrei, Anne – irgendwie schien es, als seien alle außer uns tot. Wahrscheinlich waren alle in der Kirche oder vorm Fernseher, aber so kam es uns vor, alles verlassen, alles unser. Bis dato war ich immer gerne unter Menschen, ist man ja immer in New York, aber seit neuestem ist das anders. Auf eine ungute Art und Weise ist es mir inzwischen fast lieber, es wäre immer so leer wie heute.
    »Bist du schon mal in den Riverside Park hinein?« fragte ich Iz.
    »Nein, Freund Hein. Dort ist der Dschungel.«
    »Was soll das heißen? Treiben sich dort wilde Tiere herum, streunende Hunde oder so was?« Im Fernsehen brachten sie vergangene Woche einen Bericht über einen kleinen Jungen aus der Bronx, der von verwilderten Hunden aufgefressen worden ist. Nur den Kopf haben sie übriggelassen. Das war das Kaliber, über das sich Boob früher einen Ast gelacht hätte, so abscheulich war der Film, aber sie hat nur geseufzt, als sie ihn sah.
    »Wilde Tiere? Ja, die Naturals.«
    »Was sind jetzt schon wieder ›Naturals‹?«
    »Verwilderte Außenseiter. Hausen aufn Gleisen, die unterm Riverside Park laufen. Splitternackt, sogar im Winter.«
    »Nein, hör auf, Iz. Sag die Wahrheit«, verlangte ich, weil ich glaubte, sie übertreibe.
    »Is wahr auf Ehre«, erwiderte sie. Und wie sie es sagte, veranlaßte mich, ihr zu glauben. »Die binden Blätter vorne hin – weißt schon. Bemalen sich wie die Wilden, so Tarnmuster wie die Burschen vom Heer. Schnitzen Speere aus Ästen. Lauf hier nachts allein entlang, dann kreisen sie dich ein wie Gespenster, packen dich und

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