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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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weg sind.«
    »Muß irgend was erledigt werden, wovor du dich drückst?« erkundigte sich Susie. »Hast du Schiß, du machst dir die weiße Weste dreckig?«
    »Mein Liebling, man kann Zynismus auch überspitzen. Kommen Sie in Ihr Büro, Bernard, wenn Sie fertig sind. Rufen Sie vorher an.«
    Bernards Büroräume lagen am anderen Ende der Chefetage. Während ich, indem ich mich mit Thatcher Schritt zu halten bemühte, durchs Geschachtel der Korridore zuckelte, ließ ich meinen Blick über die Hunderte von Fotos huschen, die an den Wänden hingen, jedes Bild zeigte die Präsentation eines Dryco-Produkts. Ich überlegte, ob die Aufnahme Lesters – wenn nicht aus anderen, so vielleicht doch aus ideologischen Erwägungen – größer sein müßte. Wenn wir sprachen, hallten unsere Worte in die einer Aushauchungen vergleichbare Zugigkeit des Gebäudes, übertönten alles rings um uns, während wir die Verzweigtheit seiner Lungen durchmaßen.
    »Du schmunzelst wie ein Kater«, sagte ich, weil ich sah, daß sein Grinsen ihm dermaßen prall das Gesicht aufquoll, als müßten ihm die Backen platzen. »Wo ist das Vögelchen?«
    »Versucht den Kater zu verschlingen, habe ich den Eindruck«, meinte er. »Für den Moment kungeln wir mal mit ihm, Schatzi. Macaffrey kann uns viel schneller nützlich sein, als man glaubt, soviel ist sicher …«
    »Wie denn?« fragte ich, mußte fast, um seinen langen Schritten folgen zu können, ins Laufen verfallen.
    »Überall Ohren«, sagte er, schüttelte den Kopf, betrachtete die Wände. »Kann dir gar nicht sagen, wie's mich freut, daß du und Macaffrey euch so gut versteht.«
    »Wie nett von dir«, entgegnete ich. »Ich verstehe mich mit jedem, mit dem ich mich von Mensch zu Mensch unterhalten kann.«
    »Unterhalten? Ihr beide habt wie Siamesische Zwillinge gewirkt, als ihr heute früh reingekommen seid. So ein Messias hat 'n großes Bedürfnis nach Zuwendung, kann ich mir denken.«
    »Thatcher, er ist …«
    »Dir muß zumute sein wie einem Dinosaurier«, sagte er mit einem Taktgefühl, das mich wenig überraschte. »Aber es ist ja nicht so übel, bei unserem Neo-Jesulein die Bonbontante zu spielen, solange du's nicht bist, die ihm die Windeln zu wechseln hat.«
    Unerwartete Anklänge transponierten das Lied, das er jetzt sang. Weil sie mir Neugierde einflößten und ich herauszufinden beabsichtigte, wie er mit der Situation, so wie er sie sah, umgehen mochte, unterließ ich es, ihm die Natur meiner Beziehung dazulegen. Nicht daß er überhaupt irgendein Recht darauf gehabt hätte, sie erläutert zu bekommen.
    »Ich bin froh, daß du so verständnisvoll bist«, sagte ich. »Ich dachte schon, du könntest verärgert sein.«
    »I wo, Schatzi, ist doch alles bloß fürs Geschäft. Wir alle müssen uns ab und zu mal prostituieren. Wie hat Bernard …« – er fügte die Frage hinzu, ehe ich auf die Bemerkung eingehen konnte – »dich dazu überredet?«
    »Bernard hat damit nichts zu schaffen«, stellte ich fest. »Ich habe dir doch erzählt, daß Lester aufgekreuzt ist und …«
    »Oho«, machte er, sah mich an und lächelte. »Also war's tatsächlich deine Idee. Das ist 'n gutes Zeichen. Ich ahnte es ja, daß mein Vorbild letzten Endes auf dich abfärbt. Das ist echt toff.«
    Ein Gespräch mit einem Bauchredner, der in seinem Gegenüber lediglich eine andere Art von Puppe sieht, führt zu nichts; ich verlegte mich aufs Schweigen. In Bernards Büro standen Lester und Gus, den Rücken der Tür zugewandt, am Schreibtisch. Gus drehte sich um, als wir eintraten. Das TV brachte gerade eine Werbesendung der Dryco; der Reklamespot erheischte vom Zuschauer, sich des Lebens zu freuen. Eine Inspiration nach der anderen flackerte über die Bildfläche: Rotbäckchenbälger tollten mit goldbraunen Hunden umher, Weihnachtsbeleuchtung in einem Dutzend Farben erhellte in Umrissen die Giebel eines viktorianischen Hauses, Bergnymphen und Najaden, minimalbekleidet mit buntscheckigem Patchworkstepp, räkelten sich an Skihängen und Surfstränden; unzählige Szenerien mit Prachtmenschen einer Prachtwelt folgten aufeinander, alles Szenen, die meines Erachtens vielleicht auf dem Mars gefilmt worden sein konnten, aber niemals, jedenfalls heutzutage nicht mehr, auf der Erde.
    »Wer weiß Bescheid?« fragte Thatcher.
    »Gott allein.« Durch diesen rituellen Wortwechsel bestätigte Gus, daß er die Augen und Ohren des Zimmers blind und taub gemacht hatte. Die Fensterverglasung ratterte, vom Luftstrom der Klimaanlage in

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